Sehr geehrte Frau Karner!
Ich teile Ihre Meinung, dass es innerhalb des Euroraums strukturelle Unterschiede gibt, die Gefahren in sich bergen. Diese gilt es in Zukunft zu verringern, wobei hier in erster Linie jene Mitgliedsländer gefordert sind, die bis heute auf überholte wirtschaftspolitische Verhaltensweisen aus der Zeit vor der Währungsunion (WWU, www.oenb.at/de/glossar/glossar_alles.jsp?&letter=w#tc...) zurückgreifen. Denn in der WWU besteht für einzelne Mitgliedstaaten nicht mehr die Möglichkeit, ihre Währung stellvertretend für Strukturreformen abzuwerten. Ohne Abwertungen schlägt sich mangelnde Reformwilligkeit direkt auf ihre Wettbewerbsfähigkeit nieder. Insofern hat der Euro in diesen Ländern auch die Funktion einer „Strukturpeitsche“ übernommen. Am Beispiel von Griechenland wird deutlich, wie schmerzhaft deren Auswirkung sein kann, wenn ein Land versucht, die erforderlichen Reformen zu vermeiden. Das heißt auch, dass wir mit einer Krise der öffentlichen Haushalte in einzelnen Mitgliedsländer konfrontiert sind und nicht mit der vielbeschworenen Krise des Euro.
Eine Währungsunion und hier im Speziellen der Euroraum kann insofern auch als ein Klub mit klaren Spielregeln verstanden werden. Über diese gab es eine politische Übereinkunft, die in Form der Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages festgehalten wurde. Auch wenn selbstverständlich eine akademische Diskussion über deren Ausgestaltung ihre Berechtigung hat, so sind sie dennoch einzuhalten. Die Turbulenzen im Zuge der Griechenlandkrise haben zudem bestätigt, dass an gesunden Staatsfinanzen kein Weg vorbei führt. Auch ich habe in meiner Funktion als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Mitglied des EZB-Rats (www.ecb.int) diese stets gefordert und werde dies auch in Zukunft tun.
Ich bin immer für eine gute „Kleiderordnung“ eingetreten und halte mich in diesem Sinne auch hier an die Grenzen meines Zuständigkeitsbereichs. Als Gouverneur der OeNB habe ich Sitz und Stimme im EZB-Rat und entscheide daher gemeinsam mit dessen anderen Mitgliedern über die Geldpolitik des Eurosystems. Bei der von Ihnen im Zusammenhang mit der EU-Kommission (ec.europa.eu) angesprochenen Forderung nach Richtlinien hinsichtlich einer strengeren Haushaltsdisziplin handelt es sich formal um eine Frage, die im Zuständigkeitsbereich des ECOFIN-Rats (Finanzminister) liegt. Die oben erwähnten Positionen der OeNB bzw. des Eurosystems werden selbstverständlich in den entsprechenden Gremien gegenüber dem ECOFIN-Rat (www.consilium.europa.eu/showPage.aspx?id=250&lang=de) formuliert und vertreten.
Mit freundlichen Grüßen Ewald Nowotny
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