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Beantwortet
Autor Eva Pirlomovova am 29. November 2010
40425 Leser · 44 Stimmen (-0 / +44) · 0 Kommentare

Sonstige

Zur Antwort von Nowotny an Kehlmann vom 22.11.2010

Sehr geehrte "Nationalbank",

in der Broschüre "Geld und Geldpolitik", herausgegeben von der Deutschen Bundesbank (Eurosystem), wird die Angelegenheit der Geldschöpfung der Banken/Geschäftsbanken höchstoffiziell und sehr genau auf S. 88ff. im Sinne der Ausführungen von Franz Hörmann im Standard Online beschrieben und erläutert. Ähnlich analysiert den Geldschöpfungsprozess auch Norbert Häring in seinem Buch "Markt und Macht" (Sept. 2010) auf S. 49ff. und verweist darauf, dass im Euroraum der Mindest-Reserve-Satz nur 2% der Einlagen beträgt und das Geld (in Anlehnung an Irving Fisher, der 100-Prozent-Geld verlangt hat) eigentlich "2-Prozent-Geld" heissen müsste.

Ist das in Österreich anders?

Mit freundlichen Grüssen,

Eva Pirlomovova

+44

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 20. Dezember 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrte Frau Pirlomovova!

Ich bitte Sie um Verständnis, dass es mir als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) an sich nicht obliegt, die Publikationen anderer Zentralbanken zu kommentieren. Dennoch möchte ich kurz auf die von Ihnen angesprochene Frage eingehen, um ein anscheinend vorhandenes Missverständnis zu beseitigen. Anders als Sie, bin ich nämlich nicht der Meinung, dass diese Broschüre meiner Antwort an Herrn Kehlmann vom 22.11.2010 widerspricht.

Wie ich bereits in der von Ihnen zitierten Antwort an Herrn Kehlmann geschrieben habe ( http://www.direktzu.at/oenb/messages/28555 ), müssen Banken, damit sie einen Kredit vergeben können, auf der Passivseite ihrer Bilanz über entsprechende Mittel verfügen. Ich nehme an, dass Sie das von der Bundesbank geschilderte Beispiel als Widerspruch dazu ansehen. Die Bundesbank schreibt hier, wenn eine Bank einem Kunden einen Kredit gewährt, dann bucht sie in ihrer Bilanz auf der Aktivseite eine Kreditforderung gegenüber dem Kunden, im Beispiel 100.000 Euro und auf der Passivseite stellt sie dem Kunden auf einem Girokonto die Summe zur Verfügung. Damit ist die Bilanz ausgeglichen, da sowohl Aktiva wie Passiva im gleichen Ausmaß erhöht wurden – sonstige Mittel oder Voraussetzungen für eine Kreditvergabe scheinen damit nicht notwendig zu sein.

Tatsächlich wird damit aber nur die Entstehung eines Giroguthabens als Konsequenz einer Kreditvergabe beschrieben. Damit die Kreditvergabe aber überhaupt stattfinden kann, ist vorweg(!) eine entsprechende Mittelaufbringung durch die Bank notwendig. Dieser Mittelzufluss kann in Form von Einlagen, durch die Emission eines Wertpapiers der Bank oder etwa durch Refinanzierung bei der Notenbank erfolgen. Durch diesen Mittelzufluss, der die Passivseite der Bankbilanz ausweitet, entstehen auf der Aktivseite Überschussreserven, die dann in eine Kreditvergabe transformiert werden können. Die Entstehung solcher Überschussreserven ist immer Vorraussetzung dafür, dass ein Kredit überhaupt vergeben werden kann. Auf Seite 72ff. der Bundesbankbroschüre finden Sie die Darstellung einer Bankbilanz, anhand der Sie diesen Mechanismus nachvollziehen können. Ein Kredit kann aber jedenfalls nicht „durch sich selbst gedeckt“ sein, in dem Sinne, dass die Bank die aktivseitige Kreditforderung einfach auf der Passivseite als Kontostand gutschreibt.

Die komplexen Abläufe der Geldschöpfung durch Kreditvergabe und die damit verbundenen Vorgänge in einer Bankbilanz hier im Detail zu erörtern, würde die Grenzen dieses Forums sprengen. Ich hoffe aber, dass ich mit dieser Stellungnahme ein anscheinend hartnäckig bestehendes Missverständnis klären konnte. Für weitere Fragen zu dem von der Bundesbank geschilderten Beispiel muss ich Sie allerdings direkt an eben diese verweisen.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny