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Beantwortet
Autor Theresa Karner am 23. Juni 2010
25449 Leser · 15 Stimmen (-2 / +13) · 0 Kommentare

Euro

Zinsentwicklung

Sehr geehrtes OeNB-Direktorium,

angesichts der angespannten Haushaltslagen in vielen Ländern der Europäischen Union würde mich interessieren, wie Sie die Zinsentwicklung im Euroraum einschätzen und inwieweit sich einzelne Staaten besser positionieren können - trotz EZB Leitzins....

Dies hängt nun wohl auch maßgeblich von der viel diskutierten Bankenabgabe und Finanzmarkttransaktionssteuer ab....wie werden Ihrer Einschätzung nach die europäischen und ausländischen Banken darauf reagieren? Mit drastischen Zinssenkungen im Sparbereich? Hat die OeNB dahingehend eine Möglichkeit Einfluss auf die Banken zu nehmen, sodass in Zukunft die Bürger nicht nur zur Kasse gebeten werden, wenn eine Bank "Pleite geht", Stichwort Bankenaffäre um die Hypo, sondern auch an den Einnahmen in Form von höheren Zinsen beteiligt werden?

Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Ausführungen.

Mit freundlichen Grußen

Theresa K.

+11

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 02. Juli 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrte Frau Karner!

Die Europäische Zentralbank (EZB: http://www.ecb.int/) verfolgt als oberstes Ziel die Wahrung von Preisstabilität, die als Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent definiert wird. Auch die Zinsentscheidungen werden gemäß diesem Ziel getroffen. In Anbetracht der niedrigen Inflationsrate (1,6 % im Euroraum, Mai 2010) und dem Umstand, dass auch in Zukunft mit keinem verstärkten Inflationsdruck zu rechnen ist, da die Inflationserwartungen der Bevölkerung unverändert fest verankert und die Ressourcen der Volkswirtschaften des Euroraums nicht voll ausgelastet sind, ist das derzeitige Zinsniveau als angemessen einzustufen.

Der EZB-Rat diskutiert jeden Monat in seiner zinsentscheidenden Sitzung den geldpolitischen Kurs, wobei er stets die aktuellsten Entwicklungen, eine Vielzahl an realwirtschaftlichen und monetären Indikatoren sowie Prognosen in Betracht zieht. Sollte der EZB-Rat das geldpolitische Ziel gefährdet sehen, so wird er die entsprechenden geldpolitischen Entscheidungen zur Wahrung der Preisstabilität treffen.

Bei der von Ihnen angesprochenen Bankenabgabe bzw. Finanzmarkttransaktionssteuer handelt es sich um fiskalpolitische Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich des österreichischen Bundesministeriums für Finanzen (BMF: BMF: https://www.bmf.gv.at/) fallen. Die OeNB ist im Sinne einer „strengen Kleiderordnung“ jedoch ausschließlich für geldpolitische Aspekte zuständig. Dennoch wurde die OeNB in diesem Zusammenhang gebeten, eine Untersuchung hinsichtlich der Wirkung einer Bankenabgabe durchzuführen. Diese Studie steht Ihnen auf der OeNB-Website zur Verfügung: http://direktzu.at/s/90nw0g

Sowohl bei der Bankenabgabe als auch bei der Finanzmarkttransaktionssteuer handelt es sich um steuerpolitische Instrumente, die die Banken bzw. das Finanzsystem an den Kosten der Wirtschafts- und Finanzkrise beteiligen und die Stabilität des Finanzsystems erhöhen sollen. Die Bankenabgabe zielt auf das Verhalten der Banken ab und soll bei einer entsprechenden Ausgestaltung verhindern, dass Banken exzessive Risiken eingehen.

Darüber hinaus kann sie als Solidarbeitrag des Bankensektors zur Bewältigung der Krise und deren Folgen gesehen werden. Die Finanzmarkttransaktionssteuer soll das Transaktionsvolumen auf den Finanzmärkten reduzieren und so zu einer Verringerung der Preisschwankungen auf diesen Märkten führen. Wie sich derartige Steuern auf die Kunden der Banken und die Wettbewerbsfähigkeit des nationalen Bankensektors auswirken, hängt von verschieden Faktoren ab: So ist etwa noch nicht geklärt, ob eventuelle Bankenabgaben auf nationaler oder auf europäischer Ebene implementiert werden. Ebenso wird noch über die Bemessungsgrundlage der Abgabe und die Höhe des Steuersatzes diskutiert. Offen ist auch noch wie diese Mittel verwendet werden sollen (spezielle Fonds oder allgemeine Budgetmittel). Bisherige Vorschläge gehen allerdings von einem relativ moderaten Steuersatz (0,07 %) aus.

Ob eine eventuelle Bankenabgabe auf die Bankkunden abgewälzt wird, hängt im Wesentlichen von der Wettbewerbsintensität des Bankensektors ab. Die Wettbewerbsintensität ist in Österreich seit Jahren hoch, was sich nicht zuletzt an der vergleichsweise knappen Zinsspanne zeigt. Ein gewisses Ausmaß an Steuerüberwälzung kann aber dennoch nicht ausgeschlossen werden. Ebenso gilt es, die Auswirkungen einer möglichen Bankenabgabe auf die Eigenmittelausstattung der Kreditinstitute zu bedenken. Eine erhöhte Eigenkapitalausstattung steht im Zentrum der internationalen Reformvorschläge. Eine eventuelle Bankenabgabe könnte jedoch diesen notwendigen Eigenkapitalaufbau erschweren und so dazu führen, dass die Banken über keinen ausreichenden Kapitalpolster zur Bewältigung allfälliger künftiger Schocks verfügen.

Sowohl eine erhöhte Eigenkapitalausstattung als auch alle anderen diskutierten Reformen des Finanzsystems sollen somit im Vorfeld vermeiden, dass eine Bank in Konkurs geht. Die Finanzkrise hat uns gezeigt mit welch hohen Kosten Bankenrettungen verbunden sind – Kosten, die letztendlich die Bevölkerung zu tragen hat. Auch wenn von diesen Rettungsaktionen, die de facto eine prämienfreie Versicherung für Banken darstellen, unerwünschte Anreize (Moral Hazard) ausgehen, so ist dennoch die „Pleite“ einer systemrelevanten Bank keine Option. Diese könnte das gesamte Finanzsystem und schließlich auch die reale Wirtschaft in Mitleidenschaft ziehen.

Als Alternative dazu hat die OeNB gemeinsam mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) ein Bankensonderinsolvenzrecht vorgeschlagen, demgemäß die Aufsicht – auch ohne Zustimmung der Eigentümer – eine notleidende Bank in zwei voneinander unabhängige Unternehmen aufspalten kann. In das neu gegründete Unternehmen, die sogenannte Bridge-Bank (Überbrückungsbank), würden die „gesunden“ Teile der Bank (beispielsweise Kundeneinlagen und systemrelevante Geschäftsbereiche) übertragen werden.

Diese Bridge-Bank würde in der Regel zunächst vom Staat übernommen werden, der auch für ihre Kapitalausstattung sorgt. Die Bridge-Bank wird vom Staat aber nicht auf Dauer gehalten, sondern möglichst rasch mit Gewinn veräußert. Altlasten (wie beispielsweise „faule Wertpapiere“) also die schlechten, nicht sanierungsfähigen Teile der notleidenden Bank, verbleiben hingegen bei den Alteigentümern in einer Bad-Bank, die diese weiterführen können oder über die in weiterer Folge ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Durch dieses Modell bliebe die gesunde Substanz der Bank erhalten, die durch die schlechte Substanz verursachten Verluste müssten von den Eigentümern und den unbesicherten Gläubigern getragen werden und nicht von der öffentlichen Hand.

Durch die Aufspaltung einer notleidenden Bank in eine Bridge-Bank und eine Bad-Bank wären die Einlagen von Sparerinnen und Sparern gesichert, da sie sich in der gesunden Bridge-Bank befinden. Diese Lösung des Moral-Hazard-Problems (d.h. des Problems, dass sich das Bankmanagement darauf verlässt, dass im Falle des Falles ihr Institut auf Kosten des Steuerzahlers aufgefangen wird) würde die Belastung der Staatshaushalte verringern und damit auch zu einer Entlastung der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny