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Beantwortet
Autor Wolfgang Rausch am 13. August 2012
37387 Leser · 36 Stimmen (-1 / +35) · 2 Kommentare

Geldpolitik, Zinsen, Inflation

Wie kann durch Kredit-geschöpftes Geld Schulden abgezahlt werden?

Sehr geehrtes Direktorium der OeNB,

meine Frage bezieht sich darauf, wie in unserem Geld-System Schulden zurückgezahlt werden können, ohne dass die Realwirtschaft Schaden nimmt.

Dazu vorab ein paar Fragen über den Umfang des Problems:
1. Wieviel der derzeitigen Geldmenge in Österreich wurde durch private Geschäftsbanken erzeugt, wieviel durch die OeNB/EZB?
2. Wie hoch ist die Zinslast auf das durch die Geschäftsbanken ausgegebenen Geldes?
3. Wie ist der Anteil dieser zinsbelasteten Schulden aufgeteilt auf Unternehmen, private Haushalte, öffentlicher Haushalt und dem Ausland?

Wie sollen die Schuldner dieses Geld inkl. Zinsen zurückzahlen, wenn im zuge dieses Tilgungsprozesses das Geld wieder verschwindet? - Schließlich ist dieses Geld ja erst durch Kredit entstanden.
Bedingt dieser Schuldenabbauprozeß nicht eine enorme Deflation der Geldmenge? Kommt dabei die Wirtschaft nicht zum Erliegen? - denken sie an Griechenland, Spanien bzw. vergangene Krisen in Lateinamerika und die 3. Welt Länder.
Bislang hat der Staat diese Deflationsgefahr durch Aufnahme weiteren Geldes abgewendet aber damit die Gesamtschuld des Systems noch weiter erhöht.

Die einzige Maßnahme der EZB, die ich derzeit ausmachen kann, ist das konsequente Drücken der Zinsen z.B. Leitzins für Banken 1%, mit der Hoffnung das die Geschäftsbanken Kredit mit weniger Zinsbelastung vergeben und somit die Wirtschaft liquid halten.
siehe dazu auch die Idee von Negativ-Zinsen in http://www.global-change-2009.com/blog/243/2009/04/.
Denken sie, dass diese Maßnahme in Verbindung mit einer Inflation größer oder nahezu gleich der Zinslast ausreicht um den Schuldenberg abzuschmelzen oder sind noch weitere Maßnahmen nötig, und wenn ja, welche weitere Möglichkeiten haben die Notenbanken?
Erfolgreiche Sparkete der Regierungen verringern die Geldmenge und haben eine deflationären Effekt. Das schwächt die Realwirtschaft und führt zur Rezession. Hat die OeNB die Möglichkeit durch Ausgabe zusätzlichen Geldes diesen Effekt zu verhindern oder hat die OeNB diese Möglichkeit nicht mehr?
Geschäfstbanken könne dabei nicht helfen, schließlich können sie nur zinsbelastetes Geld erzeugen.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Rausch

+34

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 30. Oktober 2012
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Rausch!

Lassen Sie mich zunächst Ihre drei konkreten Fragen nach Daten zur Kreditvergabe beantworten, um dann auf die von Ihnen angesprochene Problematik einzugehen.

Die Forderungen österreichischer Kreditinstitute in Euro an inländische Nichtbanken belief sich mit Ende Q2 2012 auf insgesamt 270,48 Mrd. Euro. Davon entfielen 127,71 Mrd. Euro auf Unternehmen, 96,57 Mrd. Euro auf private Haushalte und 25,24 Mrd. Euro auf öffentliche Haushalte (der Rest auf private Organisationen ohne Erwerbszweck und Finanzintermediäre (z.B. Versicherungen)).
http://www.direktzu.at/s/tscw3n

Die Forderungen des Eurosystems (EZB und nationale Zentralbanken der Euro-Mitgliedsländer) gegenüber den Kreditinstituten finden Sie im Wochen- ausweis, der die Werte zum jeweiligen Stichtag ausweist: http://www.direktzu.at/s/5ekhll

Die durchschnittlichen Kreditzinssätze bei der Neuvergabe von Krediten in Euro an private Haushalte und Unternehmen lagen mit Stand August 2012, je nach Kreditart, zwischen 1,68% und 4,78%:

http://www.direktzu.at/s/hl09cs

Kommen wir nun auf das von Ihnen beschriebene Szenario des Schulden- abbaus. Grundsätzlich haben Sie recht, das Zurückzahlen eines Kredites bewirkt, dass das durch die Kreditvergabe geschöpfte Geld verschwindet, die Geldmenge wird um den zurückgezahlten Kreditbetrag vermindert. Die Bank hat nun die Möglichkeit, diesen Betrag erneut als Kredit zu vergeben, was sie in aller Regel auch tun wird. (Weitere Antworten zur Geldschöpfung siehe unten.)

Ist der Geldkreislauf zwischen Banken und Nichtbanken aber gestört, sodass Kreditrückzahlungen größeren Umfangs nicht durch neue Kreditvergaben kompensiert werden, so kann dies natürlich Auswirkungen auf die Geldmenge haben. Die fehlende Kreditvergabe führt dazu, dass Unternehmen keine Investitionen vornehmen können, was in der Folge das Wirtschaftswachstum hindert. Zusammen mit einer schrumpfenden Geldmenge ist dann die Gefahr einer deflationären Entwicklung gegeben. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass die EZB in ihren Analysen derzeit keine reale Deflationsgefahr für den Euroraum erkennt.

Ihre Annahme, dass die derzeit gesetzten Sparmaßnahmen der Regierungen Europas negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben können, ist nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Der notwendige Schuldenabbau muss daher von Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft begleitet werden. Der Europäische Rat hat auch demgemäß im Juni 2012 mit einem Wachstums- und Beschäftigungspakt die notwendige Ergänzung zur Sparpolitik eingefordert.

Auch zur Problematik der Zinsen habe ich hier schon mehrmals hingewiesen (siehe Linksammlung unten). Ich möchte daher nur kurz zusammengefasst folgendes darstellen: Die Zinseinnahmen der Banken kommen letztlich ebenfalls wieder in den Geldkreislauf – zum einen werden laufende Kosten (Refinanzierungskosten, Gehälter, Betriebskosten, etc.) damit bezahlt, zum anderen kommen sie als Gewinnausschüttung an den Eigentümer der Bank. Eine Problematik nicht rückzahlbarer Zinsen, wie in ihrem Beispiel dargestellt, sehe ich demnach nicht.

Bisherige Antworten zur Geldschöpfung:

http://www.direktzu.at/oenb/messages/24905#id_answer_25525 http://www.direktzu.at/oenb/messages/25271#id_answer_25851 http://www.direktzu.at/oenb/messages/28555#id_answer_29418 http://www.direktzu.at/oenb/messages/30194#id_answer_30761 http://www.direktzu.at/oenb/messages/29525
http://www.direktzu.at/oenb/messages/geldschoepfung-zum-w...
http://www.direktzu.at/oenb/messages/geldschoefpung-und-z...

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny

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