Sehr geehrter Herr Wendler!
Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass ich als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank die fiskalische Gebarung der USA nicht kommentieren kann, sondern nur generell zum Thema Staatsverschuldung Stellung nehmen möchte.
Es kann zweifellos festgehalten werden, dass die Staatsschulden der USA hoch sind. Die Staatsschuldenquote lag im Jahr 2010 bei 93 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der USA, gleichzeitig wurde die Neuverschuldung auf 11,2 Prozent des BIP ausgeweitet. Ich möchte auch erwähnen, dass wir in Europa mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt (http://ec.europa.eu/economy_finance/sgp/index_de.htm) ein Regelwerk haben, das der Verschuldung grundsätzlich enge Grenzen setzt: Die Staatsverschuldung sollte demnach unter 60% des BIP liegen, das öffentliche Haushaltsdefizit sich auf maximal 3% des BIP belaufen. Es ist kein Geheimnis, dass derzeit viele Euroländer über diesen Werten liegen, was nicht zuletzt eine Folge der Finanzkrise und der darauf folgenden schweren Rezession ist. Viele Staaten haben sich höher verschuldet, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Ein Ende der Krise ist nun absehbar, wie uns auch das anlaufende Wirtschaftswachstum zeigt. Jetzt gilt es daher, die Schulden wieder abzubauen. Was uns die vergangenen Jahre gezeigt haben ist, dass unser Regelwerk der Verbesserung Bedarf. Es gilt, Fehlentwicklungen in den Haushalten der Euroländer früher zu erkennen und entsprechend zu handeln. An Reformen des Stabilitäts- und Wachstumspakts wird daher gearbeitet.
Im Übrigen muss zwischen der Verschuldung privater und öffentlicher Haushalte unterschieden werden. Die Schuldenaufnahme des Staates erfüllt schließlich auch eine volkwirtschaftliche Funktion, indem sie die Wirtschaftsentwicklung stabilisieren und das Wachstum wieder ankurbeln kann. Die Folgen von Wirtschaftskrisen können so abgemildert werden, wovon die ganze Bevölkerung eines Landes profitiert. Sparanstrengungen, die bei einem privaten Haushalt in jedem Fall zu einer Reduktion der Schulden führen, können hingegen bei Staaten kontraproduktiv sein. Denn wenn das Wachstum zurückgeht und die Arbeitslosigkeit steigt, so sinken Steuereinnahmen bei gleichzeitig steigenden Kosten für die Sozialausgaben. Daher gilt es insbesondere das Wirtschaftswachstum im Blick zu haben. Hier zeigt sich die Stärke der USA als größter Volkswirtschaft der Welt. Die Wirtschaft der USA ist 2009 weitaus weniger geschrumpft als jene des Euroraums sowie jenes der Europäischen Union. Im Jahr 2010 verzeichneten die beiden Wirtschaftsräume wieder positive Wachstumsraten, wobei die US-Wirtschaft deutlich stärker gewachsen ist. Und auch für die Jahre 2011 bzw. 2012 werden für die USA höhere Wachstumsraten prognostiziert als für die EU oder etwa für Japan. (vgl. http://www.oenb.at/isaweb/report.do?report=10.8) Von hohem Wachstum in der führenden Volkswirtschaft der Erde profitieren in einer globalisierten Welt selbstverständlich auch andere Länder – jene, die ihre Waren und Dienstleistungen dorthin exportieren. Zudem spielt das Vertrauen, das Investoren einem Land entgegenbringen, eine große Rolle.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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