Sehr geehrter Herr Schockenhoff!
Als Notenbank beobachten wir die Ereignisse in Japan sehr genau. Zum jetzigen, noch relativ frühen Zeitpunkt kann man selbstverständlich noch keine gesicherten Aussagen über die dauerhaften Auswirkungen der verheerenden Katastrophe in Japan treffen. Aus menschlicher Sicht ist dieses Ereignis zweifellos eine unermessliche Tragödie. Aus ökonomischer Sicht zeigt die Erfahrung, dass Naturkatastrophen zwar kurzfristig starke wirtschaftliche Auswirkungen haben können, mittel- und langfristig dies jedoch nicht der Fall sein muss. Möglicherweise wird sich herausstellen, dass die nachhaltigen Effekte dieser Naturkatastrophe in erster Linie aus dem Atomunfall in Fukushima resultieren, als die Nutzung von Atomenergie nun in vielen Ländern kritisch hinterfragt wird und es zu einer geänderten Energiepolitik kommen könnte.
Die erste unmittelbare ökonomische Reaktion nach den schrecklichen Ereignissen in Japan war eine massive Aufwertung des Yen. Eine solche Kursaufwertung des Yen bedeutet, dass japanische Waren teurer werden, was wiederum für die japanische Wirtschaft nachteilig ist. Der Außenwert der japanischen Währung ist für den Finanzmarkt insofern von erheblicher Bedeutung, als die japanische Notenbank (Bank of Japan, www.boj.or.jp) große Bestände an ausländischen Wertpapieren besitzt. Dieser Situation konnte jedoch mittels Interventionen der japanischen Notenbank, der Europäische Zentralbank (www.ecb.int) und der G7 erfolgreich entgegengesteuert werden. Zurückzuführen waren die Turbulenzen am Devisenmarkt vor allem auf den erwarteten Verkauf von Vermögen im Ausland zur Finanzierung des Wiederaufbaus in Japan.
In Japan bedingt die derzeitige Verknappung der Energieversorgung zudem Produktionsausfälle bei japanischen Industriebetrieben, was ebenso zu negativen Effekten bei den Exporten führt. Hier sind in erster Linie die Branchen Auto, Elektronik und Metall betroffen, weshalb internationale Unternehmen Lieferengpässe befürchten.
Es ist anzunehmen, dass die Konsequenzen der Tragödie vorwiegend Japan selbst treffen werden. Der Umfang der gewaltigen Aufbauleistungen wird derzeit auf ca. 220 Mrd. Euro (bzw. auf bis zu 5% des japanischen BIP) geschätzt. Das wäre viermal so hoch wie die Kosten, die 2005 durch den Hurrikan „Katrina“ in den USA entstanden waren. Viele Experten sehen die Zukunft Japans dennoch optimistisch – vorausgesetzt die Lage in Fukushima beruhigt sich und es kommt zu keiner weiteren Eskalation. Für das Jahr 2011 geht die Europäische Kommission (http://ec.europa.eu/) jedoch zunächst von einer Stagnation der japanischen Wirtschaft aus.
Was nun die langfristigen globalen Folgen betrifft, so scheint es mir, wie eingangs bereits erwähnt, zum jetzigen Zeitpunkt noch verfrüht, seriöse Prognosen abzugeben. Die Gefahr einer Weltwirtschaftskrise aufgrund der Naturkatastrophe in Japan erachte ich unter den momentanen Bedingungen, ebenso wie die Europäische Kommission, als sehr gering. Bislang gibt es im Euroraum weder Auswirkungen auf die Preisentwicklung noch auf das Wachstum.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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