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Beantwortet
Autor Markus Zwettler am 08. Februar 2011
31028 Leser · 19 Stimmen (-0 / +19) · 1 Kommentar

Geldpolitik, Zinsen, Inflation

Geldschöpfung, zum wiederholten Male

Sehr geehrter Herr Dr. Nowotny,

Sie haben in der Tat bereits mehrmals zur Prolematik der Geldschöpfung hier Stellung genommen und argumentieren, dass jeder neuen Kreditvergabe der Banken auch eine Einlage gegenüberstehen muss.

Damit haben Sie freilich Recht, dazu ist auch weiter nichts zu sagen.

Was allerdings nie hier thematisiert wird, das sind die alles entscheidenden Staatsanleihen! Wenn ein Euro-Staat einen Bond aufsetzt, Banken diesen gegen eine Minigebühr zeichen und in Folge diesen Bond bei der EZB zu höchst attraktiven Konditionen wieder zu Cash verwandeln, was ist das anderes als "Geldschöpfung aus dem Nichts"?!

Dass der gemeinsame Euro zu einer völlig irreleitenden Verringerung der "natürlichen" Zinsrate in Südeuropa und Irland geführt hat, war ja letztlich auch der Grund, dass es zu ungeheuerlichen Fehlinvestitionen gekommen ist.

Beispielsweise wurden in Spanien im Jahr 2006 rund 700.000 neue Häuser gebaut - mehr als in Deutschland, Frankreich und Großbritannien gemeinsam! Heute sitzt Spanien auf rund 1 Million leerstehender Häuser - das ist ein größerer Leerstand als sie die USA auf weisen.

Eine exzellente Analyse dieses Prozesses findet sich in einem schmalen Büchlein eines spanischen Ökonomen: Philipp Bagus, The Tragedy of the Euro (ein pdf davon findet sich hier: mises.org/books/bagus_tragedy_of_euro.pdf ).

Eben dadurch, dass ja nur eine minimale Verpflichtung für die Banken besteht, Cash auf Reserve zu halten und dieses Cash die EZB über den Umweg der Staatsanleihen zur Verfügung stellt, kann die Geldmenge steigen. Wie sonst hätte der Euro seit Einführung mehr als ein Fünftel an Kaufkraft verlieren können?

Um also zu meiner Frage zu kommen: WIE RECHTFERTIGEN SIE ES, DASS DIE EZB WEITERHIN, TROTZ BEREITS HORRENDER VERSCHULDUNG DER STAATEN, STAATSANLEIHEN ALS COLLOTERAL AKZEPTIERT? Denn das ist - bei aller Wertschätzung - eine Geldschöpfung auf Knopfdruck.

Ich freue mich auf Ihre Antwort und verbleibe

Hochachtungsvoll

Mag. Markus Zwettler

+19

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 10. März 2011
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Mag. Zwettler!

Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass die Europäische Zentralbank (EZB, www.ecb.int) kein explizites Geldmengenziel verfolgt, sondern durch ihr Mandat dazu verpflichtet ist, Preisstabilität gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) zu gewährleisten. Unter Preisstabilität wird dabei eine Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent verstanden. Ich habe inzwischen schon mehrfach – auch auf dieser Plattform darauf hingewiesen, dass die EZB bei der Erreichung ihres Ziels bisher immer äußerst erfolgreich gewesen ist (http://www.direktzu.at/oenb/messages/30816#id_answer_31496, http://www.direktzu.at/oenb/messages/25946#id_answer_26411, http://www.direktzu.at/oenb/messages/30179#id_answer_30989, http://www.direktzu.at/oenb/messages/25556#id_answer_26239).

Die Inflationsrate des Euro lag in den zehn Jahren seines Bestehens in Österreich bei durchschnittlich 1,7 Prozent (bzw. 1,98% in den letzten 12 Jahren im Euroraum). Im Gegensatz dazu betrug die Inflationsrate in den zehn Jahren davor 2,2 Prozent – der Euro ist mithin preisstabiler als der Schilling es war. Ich darf Ihnen versichern, dass die EZB ihr Mandat auch in Zukunft erfüllen und möglichen Preisstabilitätsrisiken entschieden entgegenwirken wird.

Zu Ihrer Frage betreffend die Geldschöpfung lässt sich sagen, dass den Banken zunächst natürlich schon Geld zur Verfügung stehen muss, damit sie Staatsanleihen nachfragen können. Insofern kommt es in diesem Schritt auch keineswegs zur Schöpfung von neuem Geld, es findet lediglich eine Veränderung in der Finanzierungsstruktur statt. Sodann können die Banken Staatsanleihen – wie im Übrigen auch andere Wertpapiere von Emittenten mit bester Bonität – als Sicherheiten bei der EZB hinterlegen und erhalten dafür Zentralbankgeld, das sie wiederum zur Vergabe neuer Kredite verwenden können. Hierbei kommt es dann auch zur Schöpfung von Giralgeld, der Geldschöpfungsprozess erfolgt jedoch deshalb nicht anders als in meinen bisherigen Antworten zu diesem Thema beschrieben (http://www.direktzu.at/oenb/messages/24905#id_answer_25525, http://www.direktzu.at/oenb/messages/25271#id_answer_25851, http://www.direktzu.at/oenb/messages/28555#id_answer_29418, http://www.direktzu.at/oenb/messages/30194#id_answer_30761).

Schließlich möchte ich festhalten, dass es die Geldpolitik immer in der Hand hat, das Ausmaß der Bereitstellung von Zentralbankliquidität zu steuern bzw. zu begrenzen – durch welche konkreten Instrumente dies auch immer erfolgen mag.

Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung zu Staatanleihen: Wie bei anderen Wertpapieren auch handelt es sich bei Staatsanleihen um Vermögenswerte. Ich möchte nicht verschweigen, dass einige Staaten des Eurogebiets – aufgrund mangelnder struktureller Anpassungen, der Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre und nicht zuletzt auch aufgrund von Spekulation – mit Liquiditätsproblemen und hohen Zinsaufschlägen (Spreads) auf ihre Anleihen zu kämpfen hatten. In der Regel sind Staatsanleihen jedoch eine Anlageform mit äußerst geringem Risiko, denn dem Anspruch auf Rendite steht immerhin die Wirtschaftsleistung eines ganzen Landes gegenüber. Daher spricht auch nichts dagegen Staatsanleihen als Sicherheit (Collateral) zu akzeptieren.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny

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