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Beantwortet
Autor Georg Kolb am 12. April 2010
26156 Leser · 21 Stimmen (-0 / +21) · 0 Kommentare

Geldpolitik, Zinsen, Inflation

Steht eine "Stagflation" bevor? (Stagnierende Wirtschaft plus Inflation)

Sehr geehrtes Direktorium der OeNB,

das deutsche Online-News-Portal spiegel.de warnt vor einer Stagflation und wundert sich, warum die Notenbanken nichts dagegen unternehmen:

"Die Rohstoffpreise ziehen kräftig an, weltweit wächst die Inflationsgefahr - doch die Notenbanken reagieren nicht. Damit wird ein Horrorszenario immer wahrscheinlicher: Stagflation, also Stotterwirtschaft bei gleichzeitig hoher Teuerung."
(Mehr zu dieser Argumentation hier: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,68815...)

Wie steht die OeNB dazu? Droht eine Stagflation? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, was wollen Sie dagegen tun?

Vielen Dank und beste Grüße,
Georg Kolb

+21

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 07. Juni 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Kolb!

Ich möchte vorwegschicken, dass das gesetzliche Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) bzw. des Eurosystems die Sicherstellung von Preisstabilität ist, wobei Preisstabilität in diesem Zusammenhang als Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent definiert wird.

Für eine hohe Inflation gibt es unterschiedliche Ursachen und es gilt alle relevanten Faktoren im Auge zu behalten. An erster Stelle ist hier die nachfrageseitige Inflation zu nennen, die entsteht, wenn die Nachfrage nach Gütern das vorhandene Angebot übersteigt. Diese Gefahr ist derzeit im Euroraum nicht gegeben, da die bestehenden Kapazitäten nicht voll ausgelastet sind. Angebotsseitig kann Inflation durch erhöhte Produktionskosten verursacht werden, die sich z.B: durch Lohnsteigerungen ergeben können. Die Unternehmen werden in einer solchen Situation versuchen, ihre höheren Kosten auf die Preise umzuwälzen. Der diesbezügliche Preisdruck ist im Eurogebiet jedoch sehr begrenzt. Eine weitere Ursache der Inflation sind Preisniveaubewegungen im Ausland, die zu einer so genannten importierten Inflation führen können. In diesem Fall ist es tatsächlich so, dass von den globalen Rohstoffmärkten ein gewisser Inflationsdruck ausgeht. Allerdings überwiegen momentan die gegenläufigen Tendenzen, sodass derzeit keine Gefahr für die Preisstabilität gegeben ist. Das zeigt sich auch an den mittel- bis längerfristigen Inflationserwartungen, die nach wie vor fest auf jenem Niveau verankert sind, das mit dem Ziel des EZB-Rats im Einklang steht.

Was nun die Geldpolitik der EZB betrifft, so lassen Sie mich festhalten, dass die Liquiditätsbereitstellungen unerlässlich waren und dies auch nach wie vor noch sind, um einen weiteren Einbruch der Wirtschaft zu vermeiden bzw. eine rasche Erholung sicherzustellen. Zusätzlich hat das Eurosystem im Rahmen einer geldpolitischen Maßnahme auf dem Sekundärmarkt (d.h. dort wo alle bereits in Umlauf befindlichen Wertpapiere verkauft bzw. gekauft werden) Anleihen von Mitgliedstaaten gekauft, um Ungleichgewichte auf den Märkten zu beheben. Diese Maßnahmen haben jedoch keinen inflationären Effekt, da die im Zuge der unkonventionellen Maßnahmen bereitgestellten Gelder wieder rückgeführt werden und die Staatsanleihenkäufe seitens der EZB dadurch neutralisiert – also durch den Verkauf anderer Wertpapiere ausgeglichen – werden.

Preisstabilität ist eine notwendige Voraussetzung für nachhaltiges und langfristiges Wirtschaftswachstum sowie gesellschaftlichen Wohlstand. Durch die Erfüllung ihres Mandats trägt die EZB insofern zur Erreichung mehrerer wirtschaftspolitischer Ziele bei. Die durchschnittliche Inflationsrate lag im Euroraum seit der Einführung des Euro knapp unter 2 Prozent und entsprach damit der Definition von Preisstabilität. Die Geldpolitik der EZB war in der Vergangenheit also sehr erfolgreich und konnte ihr Ziel erreichen. Ich kann Ihnen versichern, dass die EZB auch in Zukunft ihr Mandat erfüllen wird, da sie über alle notwendigen Instrumente verfügt, um Preisstabilität zu gewährleisten.

Die österreichische Wirtschaft wird, nach dem letztjährigen Rückgang der Wirtschaftsleistung, aktuellen Prognosen zu Folge in den Jahren 2010 und 2011 wieder moderat wachsen. Zwar wird diese positive Konjunkturentwicklung noch nicht stark genug sein, um zu einer deutlichen Entspannung am Arbeitsmarkt zu führen, das Wachstum reicht aber aus, um 2011 mit Konsolidierungsmaßnahmen zu beginnen. Die nationalen Regierungen müssen dann die in der Krise angehäuften Budgetdefizite wieder reduzieren. Wartet man mit der Konsolidierung zu lange, so läuft man Gefahr in eine Schuldenspirale zu geraten, wodurch die Rückführung der Staatsschulden langwieriger, kostspieliger und schmerzhafter wird.

Lassen Sie mich Ihnen daher abschließend noch einmal versichern, dass die EZB alle Einflüsse auf die Preisstabilität genauestens beobachtet und im Falle inflationärer Tendenzen rasch und angemessen reagieren kann. Wir verfügen über die entsprechenden Instrumente und werden diese auch – sofern notwendig – einsetzen. Wie die Inflationsraten seit der Einführung des Euro 1999 zeigen, haben wir das auch schon in der Vergangenheit bewiesen: Durchschnittlich lag die Inflationsrate im Euroraum in diesem Zeitraum unter, aber nahe bei 2%.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Ewald Nowotny