Sehr geehrter Herr Gotthalmseder!
Vorweg möchte ich festhalten, dass sich geldpolitische Entscheidungen nicht nur an der Entwicklung der Geldmenge orientieren, sondern auch andere Faktoren wie die Preisstabilität oder die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen sind. Innerhalb des Euroraums ist die Zielsetzung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int) eindeutig als Gewährleistung der Preisstabilität (Art. 127 AEUV) definiert. Der EZB-Rat entschied sich mit der Einhaltung dieser Zielsetzung bewusst gegen eine Geldmengensteuerung. Für die Preisstabilität sind mehrere andere gesamtwirtschaftliche Variable von Bedeutung. Die angemessene Höhe des Leitzinssatzes ergibt sich somit nicht nur aus der Geldmenge, sondern basiert eben auch auf diesen wirtschaftlichen Daten. Ein niedriger Leitzinssatz ist in Zeiten konjunktureller Abschwächungen – die in der Regel mit einem verminderten Preisdruck einhergehen – ein adäquates Instrument, um die wirtschaftliche Entwicklung anzukurbeln.
Das in Ihrer zweiten Frage geschilderte Szenario ähnelt dem von John Maynard Keynes als „Liquiditätsfalle“ beschriebenen. Hier können zinspolitische Maßnahmen nicht mehr wirken, weil der Leitzins nicht unter Null fallen kann. Allerdings stehen den Notenbank hier weitere, so genannte „unkonventionelle“ geldpolitische Maßnahmen zur Verfügung, die ich auf dieser Plattform bereits einmal erläutert habe: http://www.direktzu.at/oenb/messages/nullschranke-nominal...
Betreffend Ihrer abschließenden Fragen teile ich Ihre Meinung nicht: Unser Geldsystem ist nicht gescheitert, vielmehr haben wir die Lehren aus der großen Weltwirtschaftskrise des letzten Jahrhunderts gezogen und durch den Einsatz geldpolitischer Instrumente die Auswirkungen der Krise dämpfen können. Auch die Ursachen der Probleme, mit denen wir konfrontiert waren und nach wie vor sind, liegen nicht im Geldsystem. Meines Erachtens ist dafür ein ganzes Bündel an Faktoren verantwortlich, in dem nicht zuletzt der unzureichenden Regulierung im Finanzsektor, den zu hohen Budgetdefiziten in wirtschaftlich guten Zeiten sowie den nicht wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstrukturen herausragende Rollen zukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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am 16. Januar 2012
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am 12. Januar 2012
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