Diese Plattform ist ab 12. November 2012 inaktiv. Die Abstimmung für Beiträge ist geschlossen. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen jedoch auch weiterhin zur Information zur Verfügung.

Beantwortet
Autor Theresa Karner am 08. September 2010
29185 Leser · 25 Stimmen (-2 / +23) · 0 Kommentare

Finanzmarktstabilität & Bankenaufsicht

Risiko-Rat in Frankfurt

Sehr geehrte Herren der OeNB,

ich begrüße die Bündelung der nationalen Finanzaufsichtsbehörden in einer zentralen EU-Finanzaufsicht, mit Risikorat zur Bewertung riskanter Finanzprodukte und Entwicklungen. Aber kann dieses Frühwarnsystem überhaupt effektiv sein, bei derzeit rund 50 verschiedenen nationalen Finanzaufsichtsbehörden in der EU?

Und wie will der Präsident der Zentralbank nun auch noch die Übersicht über diesen Bereich behalten? Man braucht nur an die aktuelle Diskussion um illegeale Geschäfte und Vetternwirtschaft in der österr. Politik denken. Scheinbar kann selbst die Politik Millionen verschieben und Risikogeschäfte einfädeln, ohnedass die österreichische Finanzaufsicht dies bemerkt hätte.
Wie soll dies dann in einem noch größeren EU-weiten Zusammenhang möglich sein?

Mit freundlichen Grüßen

Theresa Karner

+21

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 11. Oktober 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrte Frau Karner!

Für Außenstehende mag der Eindruck entstanden sein, dass aus der Krise keine adäquaten Schlüsse gezogen wurden bzw. dass vieles zu lange dauert. Auch mir ging manches zu langsam. Fakt ist aber, dass vor der Krise nationale Aufsichtsorgane international tätigen Kreditinstituten gegenüber standen. Dieser Missstand wurde mit der Schaffung einer europäischen Aufsichtsarchitektur behoben. Dieses System macht sich die Stärke der national tätigen Aufsichtsorgane, die in der laufenden Überwachung des Heimatmarktes liegt, weiter zu Nutze. Denn die örtliche Nähe und die Kenntnisse der regionalen Datenlage sind von entscheidender Bedeutung für die Qualität der Analyseergebnisse. Zusätzlich spielen langjährige Erfahrungen, Vertrautheit mit dem lokalen Finanz- und Bankenplatz sowie Vor-Ort-Prüfungen für einen funktionierenden Finanzplatz eine entscheidende Rolle.

Der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board – ESRB) soll eine europäische makroorientierte Aufsichtsperspektive entwickeln, um dem Problem einer zersplitterten Risikoanalyse auf nationalem Niveau entgegenzuwirken. Zielsetzung ist es, auf Makroebene systemweite Risiken innerhalb des Finanzsystems zu identifizieren und nach Möglichkeiten zu suchen, ihre negativen Auswirkungen zu verhindern. Ein zentraler Punkt ist dabei der Umgang mit und die Identifikation von systemrelevanten Instituten durch die Erweiterung des Rechtsrahmens zur Sanierung insolvenzbedrohter systemrelevanter Institute. Parallel zum ESRB wird zur Verbesserung der europäischen Aufsicht im Mikrobereich für einzelne international tätige Institute ein Finanzaufsehersystem (European System of Financial Supervisors – ESFS) eingerichtet. Die geplanten Änderungen der aufsichtsrechtlichen Anforderungen an die Banken zielen auf eine enge Zusammenarbeit zwischen Baseler Ausschuss und Europäischer Union (EU) ab. Die Änderungen der aufsichtsrechtlichen Anforderungen – besser bekannt unter dem Begriff Basel III – bringen die Risikotragfähigkeit einer Bank mit den eingegangenen Risiken besser in Einklang. Das Zusammenspiel zwischen ESRB und ESFS – der nach bewährten Strukturen neu aufgebauten europäischen Aufsichtsarchitektur – stellt Rahmenbedingungen zur Vermeidung von Finanzkrisen dar.

Die von Ihnen erwähnten, sehr selten auftretenden Problemfälle sind leider nicht gänzlich zu beseitigen. Die Bankenaufsicht agiert als eine überwachende Instanz, die die Einhaltung der Spielregeln möglichst umfassend und strikt gewährleisten soll. Aber auch noch so gute Gesetze und ein noch so guter Polizeiapparat können, wie wir wissen, in der Realität nicht völlig vor Gesetzesverletzungen und kriminellen Aktivitäten schützen.

Die Finanzmarktkrise hat bestätigt, dass Finanzmarktentwicklungen heute nicht

mehr an nationalen Grenzen haltmachen. Deshalb müssen neben den nationalen Institutionen auch eine supranationale europäische Regulierung und Aufsicht etabliert werden, die mit Jänner 2011 umgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny