Sehr geehrte Frau Krenböck!
Zunächst möchte ich vorausschicken, dass die gegenwärtige Wirtschaftskrise nicht alleine durch die von Ihnen angesprochene Niedrigzinsphase ausgelöst wurde, die ja ihrerseits wieder eine Reaktion auf die konjunkturellen Risiken der Börsenkrise 2000/2001 sowie der Terroranschläge vom 11. September war. Neben der bekannten Subprime-Problematik am US-Wohnungsmarkt waren es vor allem die stetig wachsende Bereitschaft zu immer höheren Risiken in der Wertpapierverbriefung von Kreditforderungen, Auslagerungen aus den Bankbilanzen, die Expansion von Finanzierungen im Nichtbankensektor sowie die problematische Rolle von Ratingagenturen, die schließlich zu einer Destabilisierung der Finanzmärkte geführt haben.
Im Zuge der gegenwärtigen Krise kam es zu einem massiven Vertrauensverlust und daher zu Austrocknungserscheinungen auf den Geldmärkten. Diese Tatsache veranlasste die Notenbanken dazu, dem Mangel an Liquidität auf den Märkten mittels Liquiditätszufuhren entgegenzutreten. Zusätzlich wurden die Zinsen gesenkt, um die Finanzierungsmöglichkeiten für Unternehmen und private Haushalte aufrechtzuerhalten und die Kreditvergabe an die Realwirtschaft zu stabilisieren. Die Maßnahmen der Notenbanken zur Begrenzung der Krisenauswirkungen waren demnach unerlässlich. In Zukunft wird es darauf ankommen, die Gefahren einer neuerlichen Blasenbildung weitest gehend zu reduzieren. Aufgrund dessen ist eine vorsichtige Exitstrategie aus der expansiven Geldpolitik notwendig, wie sie bereits seitens der Europäischen Zentralbank (EZB) begonnen wurde. Derzeit ist das Niveau der Zinssätze jedoch noch angemessen und eine übereilte Zinsänderung könnte dem zarten Konjunkturpflänzchen schaden. Eine weitere Lehre dieser Krise ist sicher, dass Banken in Zukunft höhere Eigenkapitalquoten halten sollten. Dadurch reduziert sich das „Spielkapital“ für Spekulationen, wodurch die Gefahr einer Blasenbildung zusätzlich verkleinert wird.
Zu Ihren Fragen möchte ich vorweg festhalten, dass sich das internationale Engagement österreichischer Banken in osteuropäischen Ländern derzeit auf circa 110% des BIP (358 Mrd. EUR) beläuft. Dies ist im internationalen Vergleich relativ niedrig. So sind zum Beispiel die Schweizer Banken mit rund 360% ihres BIP im Ausland engagiert, die belgischen und niederländischen Banken haben rund eineinhalb Mal so hohe Auslandsforderungen wie Österreich. Das Engagement der österreichischen Banken ist stark auf Mittel- und Osteuropa konzentriert, was angesichts der schwierigen Lage auf den Märkten Irlands, Spaniens, des Vereinigten Königreichs und der USA durchaus vorteilhaft ist. Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass Mittel- und Osteuropa kein homogener Wirtschaftsraum ist, sondern sich aus einer Reihe von Ländern mit unterschiedlichen Risiken zusammensetzt. Damit sind auch die Risiken der österreichischen Banken breit gestreut.
Betreffend das von Ihnen angesprochene Worst-Case-Szenario gebe ich zu bedenken, dass zwar jedes Worst-Case-Szenario eine (geringe) potenzielle Eintrittswahrscheinlichkeit hat, diese aber – definitionsgemäß – nicht die größte sein kann.
Für die Länder Ost- und Südosteuropas wurde im Rahmen der „Vienna Initiative“ bereits im Jahr 2009 ein umfassendes Hilfspaket geschnürt. Zudem wurden sowohl auf EU-Ebene als auch seitens des Internationalen Währungsfonds (IWF) Geldmittel zur Zahlungsbilanzstützung bzw. zur Verhinderung von Staatspleiten zur Verfügung gestellt. Dies hat wesentlich zur Beruhigung der Situation in der Region beigetragen und hilft damit indirekt auch den österreichischen Banken. In Österreich wurde ein umfassendes Bankenpaket im Ausmaß von 100 Mrd. Euro verabschiedet, das einerseits zur Stärkung des Eigenkapitals der Banken dient und ihnen andererseits Garantien zur Verfügung stellt. Dadurch sind die österreichischen Banken gut aufgestellt. Wesentlich ist jedenfalls, dass die Gewährung dieser Garantien keineswegs zu einem Staatsbankrott führen, denn Garantien tragen dazu bei, die Situation zu beruhigen und zu stabilisieren und werden in den seltensten Fällen schlagend.
Was die ausländischen Töchter österreichischer Banken betrifft, so möchte ich zunächst festhalten, dass eine Tochterbank einerseits der lokalen Aufsicht unterliegt, aber andererseits auch im Land des jeweiligen Hauptsitzes der Mutterbank in die konsolidierte Aufsicht einbezogen wird. Deshalb wird die Entwicklung der österreichischen Tochtergesellschaften in Mittel- und Osteuropa auch seitens der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und der Finanzmarktaufsicht (FMA) genau beobachtet. Das Geschäftsmodell der österreichischen Banken in Osteuropa hat sich gerade im letzten Jahrzehnt als ein sehr erfolgreiches herausgestellt. Bisher konnten über die Niederlassungen im Ausland hohe operative Gewinne in dieser Region lukriert werden. Mittel- und Osteuropa ist derzeit die wichtigste Wachstumsregion in Europa und wird es auch in Zukunft bleiben. Österreichs Banken sind dorthin gegangen, um dort zu bleiben. Dies zeigt sich auch daran, dass sie ihre Verantwortung in der Region wahrnehmen und ihren regionalen Töchtern die in der Krise benötigte Unterstützung zukommen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Ewald Nowotny
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