Sehr geehrte Frau Marx!
Michael Hudson, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Missouri, spricht in dem von Ihnen zitierten Artikel bereits an, weshalb es der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int) nicht möglich ist Geld zu drucken und die staatlichen Schulden auf diese Weise zu inflationieren: Die monetäre Staatsfinanzierung ist durch die maßgeblichen europäischen Verträge aus guten Gründen verboten. Zudem läge es gar nicht in der Macht der EZB, das ihr von der Politik auferlegte Mandat neu zu definieren.
Ich habe zum Verbot der monetären Staatsfinanzierung und zu den wohlüberlegten Gründen für dieses Verbot schon mehrfach auf dieser Online-Dialogplattform Stellung genommen (http://www.direktzu.at/oenb/messages/wie-kann-sich-ein-st...; http://www.direktzu.at/oenb/messages/staatsausgaben-mit-a...).
Lassen Sie mich jedoch einige der von Hudson aufgeworfenen Punkte kommentieren: Professor Hudson weist zu Recht darauf hin, dass für die Hyperinflation in der Weimarer Republik vor allem die von Deutschland zu leistenden Reparationszahlungen und die kriegsbedingt geringe Produktionskapazität eine Rolle gespielt haben. Doch sind dies keineswegs die einzigen Erfahrungen, die mit unkontrollierbaren Inflationsraten gemacht wurden (völlig anders gelagerte Beispiele finden sich etwa in Lateinamerika). Darüber hinaus gebe ich zu Bedenken, dass es in der derzeitigen Diskussion nicht alleine um die Lösung der akuten Schuldenkrise geht. Ein Abbau der Schulden durch Inflation alleine würde das grundsätzliche Problem nicht lösen, da anschließend Staaten wieder eine nicht tragfähige Schuldenpolitik betreiben könnten, wodurch dann eine erneute Inflationierung notwendig werden würde. Deshalb ist Inflationierung keine wirklich nachhaltige Alternative. Zum Weg aus der Abhängigkeit von Finanzmärkten und den Einschätzungen von Rating-Agenturen gehört jedenfalls die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und eine Reduktion der Staatsschulden sowie eine effiziente Finanzmarktregulierung und Economic Governance auf europäischer Ebene.
Das ist eine der zentralen Lehren der jüngsten Krise. Auch muss angemerkt werden, dass die EZB nicht dem Irrtum erlegen ist, dass private Kreditvergabe keine preistreibende Wirkung entfalten kann, wie Hudson in seinem Artikel behauptet. Im Gegenteil, die Leitzinssätze, die letztlich auch einen wesentlichen Einfluss auf die Marktzinssätze haben, sind das zentrale Instrument, das zur Steuerung der Inflationsrate verwendet wird.
Ich möchte an dieser Stelle auch die Darstellung von Hudson, dass die Politik der EZB von mächtigen Bankenlobbys determiniert sei, zurückweisen: Die EZB ist in ihren Entscheidungen unabhängig und einzig ihrem Mandat verpflichtet. Selbstverständlich werden dabei eine Vielzahl von wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigt, zu der auch die Entwicklung der Kreditvergabe und die Stabilität der Finanzmärkte gehören – daraus darf jedoch keine Abhängigkeit von der Finanzindustrie abgeleitet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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am 12. Februar 2012
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am 16. Dezember 2011
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am 16. Dezember 2011
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