Sehr geehrter Herr Anagnostopoulos!
Staaten übernehmen in modernen Volkswirtschaften eine Vielzahl von zentralen Aufgaben. Dazu zählen, um nur einige zu nennen, die Bereitstellung von Infrastruktur (Straßen, Bahn, öffentliche Verkehrsmittel etc.), eines Bildungssystems, eines Polizei- und Sicherheitsapparates sowie die Zahlung von Transferleistungen (Unternehmensförderungen, Sozialleistungen etc.). Diese Leistungen des Staates sind notwendig, um die entsprechenden Rahmenbedingungen für ökonomisches Handeln und soziales Zusammenleben zu gewährleisten. Zur Bewältigung dieser Aufgaben benötigen der Staat bzw. die Gebietskörperschaften natürlich finanzielle Mittel. Lassen Sie mich daher zunächst darauf eingehen, woher Staaten die finanziellen Mittel bekommen, um ihren Aufgaben gerecht zu werden.
Haupteinnahmequellen des Staates sind Steuern, zusätzlich lukriert der Staat unter anderem Mittel aus Gebühren und Beiträgen sowie aus der Beteiligung an Unternehmen bzw. an der Veräußerung dieser Beteiligungen. Darüber hinaus haben Staaten die Möglichkeit, sich Mittel über Kreditaufnahme und durch die Emission von Staatsanleihen zu beschaffen. Gläubiger des Staates sind somit in der Regel Banken oder Versicherungen, zu einem großen Teil aber auch private Haushalte, die direkt oder indirekt Staatsanleihen zeichnen. In wie weit Staaten sich gezwungen sehen ihr Budget über Schulden zu finanzieren, hängt auch von der konjunkturellen Situation ab. So haben Staaten im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise weltweit ihre Budgetdefizite erhöht, um zusätzliche Mittel zur Verfügung zu haben. Dies war nicht zu Letzt deshalb notwendig, da die Steuereinnahmen bei Rückgang der ökonomischen Aktivität automatisch zurückgehen, während sie in wirtschaftlichen Aufschwungsphasen automatisch steigen. In der Europäischen Union (EU, http://europa.eu/) bzw. im Euroraum ist die Möglichkeit der Schuldenaufnahme durch die sogenannten Konvergenzkriterien bzw. den Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP, http://ec.europa.eu/economy_finance/sgp/index_de.htm) begrenzt.
Um nun zu Ihrer Frage zu kommen, so lässt sich festhalten, dass die von Ihnen vorgeschlagene Methode des „Anwerfens der Notenpresse“ in der Vergangenheit tatsächlich immer wieder zur Anwendung kam. Das Problem bei dieser Vorgehensweise ist jedoch, dass ein zügelloses Ausweiten der Geldmenge hohe und mitunter unkontrollierbare Inflationsraten produziert – und zwar mit all den negativen Effekten für Wirtschaft und Gesellschaft, welche die Geldentwertung mit sich bringt. So gab es etwa in Österreich und Deutschland nach dem 1. Weltkrieg solche galoppierende Preissteigerungen bzw. Hyperinflationen oder auch in Ex-Jugoslawien in den 1990er-Jahren – mit großen Nachteilen für die Bevölkerung.
Aus diesen Gründen besteht heute weitgehender Konsens darüber, dass diese sogenannte monetäre Staatsfinanzierung kein probates Mittel sein kann, um staatliche Aktivitäten zu finanzieren. In Österreich besteht ein solches Verbot der monetären Staatsfinanzierung im Übrigen bereits seit 1955 und auch im Euro-Währungsgebiet gilt dieses Verbot. Eine solide Fiskalpolitik der nationalen Regierungen des Euroraums ist somit ganz wesentlich, da es hierzu berechtigterweise keine Alternative gibt. Darüber hinaus fördert das Verbot der monetären Staatsfinanzierung auch die Glaubwürdigkeit der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int), die der Sicherung von Preisstabilität verpflichtet ist und ihr Mandat in Unabhängigkeit von staatlicher Einflussnahme ausübt.
Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf den von Ihnen angesprochenen Bereich der Refinanzierung von Kreditinstituten bei der Zentralbank eingehen. Banken, die bei der Zentralbank Darlehen aufnehmen, um sodann Kredite an Unternehmen und private Haushalte zu vergeben, sind keineswegs beim Staat verschuldet. Kreditinstitute nehmen gegen Hinterlegung von Sicherheiten Kredite bei Zentralbanken auf, die ihrerseits das Monopol auf die Geldschöpfung haben (http://www.direktzu.at/oenb/messages/30951#id_answer_31497, http://www.direktzu.at/oenb/messages/25271#id_answer_25851, http://www.direktzu.at/oenb/messages/24905#id_answer_25525). Banken, die sich auf diese Weise Mittel beschaffen, sind demnach bei der Zentralbank und eben nicht beim Staat verschuldet. Der beschriebene Prozess der Geldschöpfung ist also von der Finanzierung der staatlichen Budgets strikt zu trennen.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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am 11. April 2011
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