Sehr geehrter Herr Bastir!
Da ich in dieser Plattform bereits mehrere Male zum Thema Geldschöpfung Stellung genommen habe (http://www.direktzu.at/oenb/messages/24828, http://www.direktzu.at/oenb/messages/25271, http://www.direktzu.at/oenb/messages/29525) möchte ich, um Wiederholungen zu vermeiden, nur mehr kurz auf Ihre Frage eingehen.
Die Giral- oder Buchgeldschöpfung durch Geschäftsbanken beruht darauf, dass Banken die ihnen zufließenden Einlagen zur Kreditgewährung verwenden. Dem Kreditnehmer kann der kreditierte Betrag bar ausbezahlt oder auf einem Girokonto gutgeschrieben werden, wodurch er zu Buchgeld und zur Ausgangsbasis für weitere Kredite wird.
Ich möchte diesen Prozess an einem Beispiel verdeutlichen: Zahlt ein Kunde bei einer Bank A 1.000 Euro auf sein Konto ein, dann erhöht sich auf der Aktivseite der Bankbilanz der Bargeldbestand und auf der Passivseite die Verbindlichkeit gegenüber dem Kunden in Form eines Sichtguthabens: Buchgeld ist entstanden. Die Bank A vergibt nun das erhaltene Bargeld in der Höhe von 1.000 Euro als Kredit (der Mindestreservesatz soll vorerst vernachlässigt werden). Anstelle des Bargeldes tritt eine Kreditforderung auf die Aktivseite der Bankbilanz – ein Aktiventausch hat stattgefunden. Der Kreditnehmer zahlt den Kreditbetrag auf sein Sichtguthaben ein (dieses kann bei Bank A oder auch bei einer anderen Bank B sein). Damit ist wieder Buchgeld entstanden und die Bank A (oder Bank B) hat neuerlich die Möglichkeit, einen Kredit in der Höhe von 1.000 Euro zu gewähren.
Damit dieser Prozess nicht ins unendliche wiederholt werden kann, sind die Banken verpflichtet, einen Teil der Einlagen bei der Zentralbank als Mindestreserve zu halten. Im Euroraum liegt der Mindestreservesatz bei 2%, im obigen Beispiel könnte die Bank A von den 1.000 Euro Einlagen somit nur 980 Euro als Kredit vergeben. Wenn der Kreditnehmer diese 980 Euro wieder auf sein Girokonto einzahlt, würden bei einer weiteren Kreditvergabe nur mehr 960,40 Euro zur Verfügung stehen. Eine zweite Einschränkung der Geldschöpfung besteht in der Bargeldhaltung der Kreditnehmer. Würde der Kreditnehmer unseres Beispiels nicht seinen gesamten Kredit in Höhe von 980 Euro auf sein Konto einbezahlen, sondern nur 500 Euro, so wäre nur dieser Betrag abzüglich der Mindestreserve für eine weitere Kreditvergabe verwendbar.
Dieses Beispiel verdeutlicht, dass Banken Einlagen ihrer Kunden zur Kreditvergabe benötigen und die Höhe der vergebenen Kredite durch die Höhe der den Banken zugeflossenen Mittel beschränkt ist.
Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass Banken durch den Geldschöpfungsprozess kein Geld „aus dem Nichts“ erfinden, sondern jeder vergebene Kredit auf einer tatsächlich getätigten Einlage (bzw. einem Mittelzufluss aus anderer Quelle wie z.B. einer von der Bank vergebenen Anleihe) beruht.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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