Sehr geehrter Herr Hartmann!
Die Schieflage der öffentlichen Haushalte ist ein Ausdruck der Wirtschaftskrise. Üblicherweise beginnt die Krise als Spekulationsblase und damit als Finanzkrise, greift in der Folge auf die Realwirtschaft über und erreicht schließlich auch die öffentlichen Haushalte.
Dennoch muss folgendes festgehalten werden: Die gegenwärtige Krise hatte das Potenzial, die Weltwirtschaft in eine ähnlich massive Depression mit ungeahnten Folgen zu führen, wie jene der 1930er Jahre. Die jüngste Krise konnte jedoch aufgrund der Bemühungen von Notenbanken und Regierungen deutlich abgemildert und entschärft werden. Dafür waren erhebliche finanzielle Mittel für aktive Maßnahmen notwendig, wie etwa die Finanzierung der Konjunkturpakte. Des Weiteren kam es – wie dies bei einem Konjunktureinbruch die Regel ist – schon alleine durch steigende Sozialausgaben und sinkende Steuereinnahmen zu einer Ausweitung der Budgetdefizite.
Im Fall von Griechenland wurden die Strukturreformen, die mit der Einführung des Euro notwendig gewesen wären, mangelhaft oder gar nicht durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Euro-Einführung war Griechenland auf einem guten Weg, doch leider wurde dieser Aufholprozess nicht fortgeführt und wurden die Konsequenzen der Euro-Einführung nicht gezogen. Denn der Euro wirkt wie eine „Strukturpeitsche“, die Reformen um den Preis der Wettbewerbsfähigkeit erzwingt. Die Probleme Griechenlands sind ein Resultat des Rückgriffs auf tradierte fiskalpolitische Verhaltensweisen, die nun nicht mehr mit einer Währungsabwertung kompensiert werden können.
Ein Austritt oder Ausschluss Griechenlands aus dem Euroraum ist ein völlig unrealistisches Szenario und würde zu einer weiteren Verschärfung der Situation führen. Denn einerseits wäre Griechenland dann zunehmenden Währungsspekulationen ausgesetzt und andererseits könnte das Land die auf Euro denominierten Schulden mit einer unter Druck gekommen, fiktiven nationalen griechischen Währung nicht bedienen.
Die Solidarität innerhalb eines gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraums, die mit dem Hilfspaket für Griechenland unter Beweis gestellt wurde, hat die Wirtschafts- und Währungsunion politisch gestärkt, indem sie in einer kritischen Situation Handlungsfähigkeit bewiesen hat. Sie ist auch nicht im Widerspruch mit der von Ihnen angesprochenen No-Bail-Out-Klausel (Art. 125 AEUV – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union; eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:C:2008:115:0047:0199:DE:PDF) da es sich um Kreditlinien mit Rückzahlungsverpflichtung handelt und nicht um „geschenktes“ Geld, sondern vielmehr um Darlehen, die zurückgezahlt werden müssen. Ich möchte auch noch hinzufügen, dass solidarisches Handeln innerhalb eines gemeinsamen Wirtschaftsraums auch aufgrund der Handelsverflechtungen geboten ist. Denn die Außenhandelsüberschüsse der einen sind die Defizite der anderen. Insofern ist es logisch und auch wirtschaftlich sinnvoll, wenn jene Länder, die Leistungsbilanzüberschüsse haben auch die Hauptlast der „Aufräumarbeiten“ tragen. Dies ist keine Belastung der Überschussländer, sondern ein sinnvoller Ausgleich innerhalb der europäischen Solidargemeinschaft.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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