Sehr geehrter Herr Bastir!
Vor der Beantwortung Ihrer konkreten Frage möchte ich folgendes festhalten: Die Europäische Zentralbank (EZB: http://www.ecb.int/ecb/) hat ein klar definiertes Mandat. Ihr Ziel ist die Sicherung der mittelfristigen Preisstabilität, wobei Preisstabilität in diesem Zusammenhang als Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent definiert ist. Die Vorteile stabiler Preise sind vielfältig: Sie geben den Menschen Planungssicherheit bei ihren wirtschaftlichen Entscheidungen, erlauben eine effiziente Nutzung der knappen Produktionsmittel und haben dadurch einen positiven Einfluss auf Ressourcenverteilung und Wirtschaftswachstum. Eine künstliche Erzeugung von Inflation durch direkte Staatsfinanzierung – also durch eine Erhöhung der Geldmenge – ist daher keine Option.
Im Laufe der gegenwärtigen Krise hat die EZB allerdings zu „unkonventionellen geldpolitischen Maßnahmen“ gegriffen, um Ungleichgewichte auszugleichen und die Märkte mit ausreichend Liquidität zu versorgen. Auch befinden sich die Leitzinssätze auf einem historischen Tiefststand. Ich möchte daher darauf hinweisen, dass die derzeitige Geldpolitik der EZB als expansiv zu bezeichnen ist. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Krise sich nicht schlimmer auf Wachstum und Beschäftigung ausgewirkt hat.
Das von Ihnen ins Treffen geführte Beispiel der japanischen Wirtschaft, die sich seit den 1990er Jahren in einer Deflationsspirale befindet, ist im Übrigen keineswegs ein Beweis dafür, dass expansive Geldpolitik im Sinne einer direkten Staatsfinanzierung nicht inflationär wirkt. Vielmehr muss beachtet werden, dass die Wirksamkeit der Geldpolitik in einem deflationären Umfeld eingeschränkt ist, sodass sich die positiven Effekte der Geldpolitik schwerer entfalten können. Da Nominalzinsen nicht unter Null fallen können, kann im Falle einer Deflation die Geldpolitik die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nur durch eine quantitative Ausweitung der Geldmenge stimulieren.
Dennoch ist eine Situation wie wir sie in Japan beobachten können, aus geldpolitischer Perspektive alles andere als wünschenswert. Die EZB beobachtet sämtliche Gefahren für die Preisstabilität – seien sie inflationärer oder deflationärer Natur – genauestens. Sie hat alle Instrumente um Preisstabilität sicherzustellen und war seit ihrem Bestehen in der Erfüllung ihres Mandats äußerst erfolgreich: Die durchschnittliche Inflationsrate betrug in den letzten zehn Jahren 1,9 Prozent. Und auch in Zukunft wird die EZB ihr Mandat erfüllen und für Preisstabilität sorgen.
Wie bereits angedeutet ist eine direkte Finanzierung der Mitgliedstaaten durch die EZB – das sprichwörtliche „Anwerfen der Notenpresse“ – keine Alternative. Im Laufe der Geschichte kam es immer wieder vor, dass sich mit budgetären Problemen konfrontierte Staaten direkt über die Notenbank finanziert haben, wodurch hohe Inflationsraten oder gar Hyperinflationen ausgelöst wurden. Die Europäische Union (http://europa.eu/) hat sich daher zu einem Verbot der monetären Staatsfinanzierung entschlossen und dieses auch in den maßgeblichen europäischen Verträgen festgeschrieben. Zum Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB möchte ich anmerken, dass die EZB derzeit Staatsanleihen am Sekundärmarkt kauft (also auf jenem Markt, auf dem bereits im Umlauf befindliche Wertpapiere gehandelt werden), diese sogleich sterilisiert, sodass die Geldmenge im Rahmen dieses Ankaufprogramms stabil gehalten wird.
Zudem handelt es sich dabei nicht um eine direkte Finanzierung der Mitgliedstaaten des Eurosystems, sondern vielmehr um eine geldpolitische Maßnahme, die bestehende Ungleichgewichte auf den Kapitalmärkten beseitigen soll.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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am 22. Juni 2010
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am 07. Juni 2010
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