Sehr geehrter Herr Kramler!
Im Zuge der Finanzkrise kamen Rating-Agenturen – wie auch schon während der Asienkrise vor zehn Jahren – berechtigterweise zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Die Immobilienkrise in den USA zeigte beispielsweise, dass die Analysen der Rating-Agenturen in die falsche Richtung gingen.
Die vorgenommenen Bewertungen waren im Vorfeld der Krise zu positiv und zu optimistisch. Im Laufe der Krise schlug dieser Optimismus ins Gegenteil um und die Rating-Agenturen wurden übervorsichtig. Das Beispiel Griechenland zeigte, dass Rating-Agenturen in ihrem Verhalten extrem destabilisierend wirken können. Die Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands entsprach nicht den realen Gegebenheiten, da das Land gerade am Weg zu einer erfolgreichen Konsolidierungspolitik war.
Das Schicksal Griechenlands schien vom Urteil einer einzigen Rating-Agentur abzuhängen. Inzwischen hat man erkannt, dass dies eine nicht hinnehmbare Situation ist. Das Problem der Agenturen ist, dass sie wie eine „Black Box“ erscheinen. Im Sinne einer „Good Governance“ gilt es daher diese Black Box“ zu öffnen. Rating-Agenturen sollten künftig beaufsichtigt und strenger kontrolliert werden. Es geht vor allem darum, die Analysen und Schlussfolgerungen der Rating-Agenturen transparent und auf diese Weise nachvollziehbar zu machen.
Das Thema Rating-Agenturen beschäftigt mich bereits seit meiner Zeit als Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank (EIB, www.eib.org). Schon damals plädierte ich für eine europäische Rating-Agentur, die privatwirtschaftlich organisiert und unabhängig von staatlichen und wirtschaftlichen Interessen agieren sollte. Diese Idee scheiterte damals daran, dass sich kein privater Träger für eine solche Institution finden ließ. Zur Diskussion steht auch gegenwärtig noch die Idee einer europäischen Rating-Agentur. Diese könnte beispielsweise als öffentliche Stiftung organisiert werden.
Die Europäische Zentralbank (EZB, www.ecb.int) verlässt sich im Übrigen keineswegs automatisch auf externe Ratings, sondern verwendet sehr wohl ein eigenständiges und differenziertes Bewertungssystem. Gemäß einer Entscheidung des EZB-Rats nimmt das Eurosystem sogenannte „Haircuts“, also „Risikoanschläge“, vor und beurteilt auf diese Weise die im Zuge der Refinanzierung eingereichten Wertpapiere entsprechend.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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