Sehr geehrter Herr Kehlmann!
Um Ihre Frage zu beantworten, möchte ich drei Aussagen von Professor Franz Hörmann herausgreifen. Hörmann erklärt in dem von Ihnen zitierten Interview, dass die Banken weltweit pleite seien. Dem muss ich klar widersprechen und möchte hinzufügen, dass weltfremde Pauschalurteile auch in der akademischen Debatte wenig hilfreich sind.
Die globale Wirtschaftskrise war zunächst und primär durch einen massiven Vertrauensverlust aller Marktteilnehmer gekennzeichnet. Die Konsequenz daraus war, dass Banken sich untereinander kein Geld mehr leihen wollten und es bestand die Gefahr eines Austrocknens der Geldmärkte und einer Kreditklemme. Aus diesem Grund wurden die Leitzinssätze weltweit auf historische Tiefststände reduziert und den Banken ausreichend Liquidität zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus zeigte sich in der Krise, dass die Eigenkapitalquoten vieler Banken zu niedrig waren um in der Krise zu bestehen. Es mussten daher auch vereinzelte Banken vom Staat aufgefangen werden – man kann aus diesen Fällen aber nicht schließen, dass alle Banken weltweit pleite sind.
Die Bankenpakete wurden grundsätzlich nicht dazu beschlossen, um Banken aufzufangen, sondern waren vielmehr ein Schutzschirm für den Finanzmarkt und ermöglichten eine Stärkung der Eigenkapitaldeckung der Institute. Es wurden von staatlicher Seite Kapital zugeschossen und Garantien bereitgestellt. Nicht zuletzt durch diese Maßnahmen konnte eine Beruhigung der Märkte erreicht werden und die Auswirkungen dieses massiven wirtschaftlichen Abschwungs waren somit bisher weit weniger schlimm als befürchtet. Eine Lehre aus der Krise ist daher, dass höhere Eigenkapitalquoten für Kreditinstitute notwendig sind. Mit den neuen Richtlinien des Basler Ausschusses („Basel III“) wurden inzwischen auch entsprechende Maßnahmen beschlossen. Diese werden dazu beitragen, dass sich das „Spielkapital“ der Banken substanziell verringert, wodurch die Gefahr von zukünftigen Blasenbildungen reduziert werden kann.
Der zweite Kritikpunkt bezieht sich auf die Darstellung des Geldschöpfungsprozesses durch Professor Hörmann. Er erweckt in dem Interview den Eindruck als könnten Banken Geld tatsächlich aus der Luft erfinden. Dies entspricht jedoch nicht der Realität: Damit Banken Kredite vergeben und Buch- bzw. Giralgeld schöpfen können, müssen sie auf der Passivseite ihrer Bilanz natürlich auch über entsprechende Mittel verfügen. Banken können also Geld keineswegs „aus dem Nichts“ schöpfen. Bei den Passivposten handelt es sich ja nicht um erfundenes Kapital, sondern um Einlagen privater Haushalte und Unternehmen, emittierte Aktien oder Anleihen oder Ausleihungen bei Zentral- und Geschäftsbanken, die den vergebenen Krediten gegenüberstehen. Banken können nichts verborgen, was ihnen nicht auf der Passivseite ihrer Bilanz als Mittel zur Verfügung steht.
Dieser Buchgeldschöpfung der Banken sind zudem Grenzen gesetzt, die vor allem von den Mindestreservevorschriften abhängig sind. Banken sind durch die Mindestreserve (zur Sicherung ihrer Zahlungsfähigkeit und auch aus währungspolitischen Gründen) verpflichtet, einen Teil der bei ihnen gehaltenen Einlagen als Guthaben bei der Zentralbank zu halten. Des Weiteren wird die Geldschöpfung noch durch Regelungen eingeschränkt, denen zufolge die Banken zum Halten von Eigenkapital für die bankbetrieblichen Risikoarten (Markt- und Kreditrisiko, operationelles Risiko) verpflichtet sind.
Um nun zum dritten Punkt und zur Beantwortung Ihrer Frage zu kommen, möchte ich sagen, dass ich die Prognose von Professor Hörmann, dass das globale Wirtschaftssystem im nächsten Jahr zusammenbrechen wird, nicht für realistisch halte. Im Gegenteil: Gerade die Geschichte des Euro ist eindeutig eine Erfolgsgeschichte. Keine Notenbank war in der Geschichte ähnlich erfolgreich wie die Europäische Zentralbank (EZB, www.ecb.int). Mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,95% in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens blieb die Inflationsrate stets im angestrebten Zielkorridor. Die EZB konnte ihr Ziel – die mittelfristige Sicherung von Preisstabilität – damit eindrucksvoll erfüllen. Die gemeinsame Währung hat sich gerade in der Krise eindeutig bewährt, da sie gleichsam wie ein Schutzschild vor schädlichen Währungsspekulationen stand und steht. Ich möchte nicht verschweigen, dass während der Krise in einzelnen Staaten des Euro-Währungsgebiets Probleme mit der Haushaltsdisziplin ans Licht gekommen sind. Diese Schwierigkeiten sind jedoch primär auf nationaler Ebene durch die Fiskalpolitik und nicht durch die Geldpolitik zu lösen und auch werden ihnen entsprechende Maßnahmen entgegengesetzt. Von einer Krise des Euro selbst kann jedoch nicht die Rede sein.
Der Rede vom Zusammenbruch der Weltwirtschaft widersprechen auch die aktuellsten wirtschaftlichen Prognosen, die von einer positiven Entwicklung für die kommenden Jahre ausgehen. Ich kann also keine Anzeichen für ein wie von Professor Hörmann beschriebenes Szenario erkennen. Die Beschäftigung mit potenziellen Gefahren für das Wirtschaftssystem und der Versuch, alternative Formen des Wirtschaftens zu ersinnen, sind selbstverständlich legitim und von akademischem Interesse. Auch sei es jedermann unbenommen, neue Ideen medial zu propagieren und politisch durchzusetzen. Dafür bedarf es jedoch zunächst ausgereifter Konzepte und sodann einer entsprechenden demokratischen Legitimierung.
Mit freundlichen Grüßen Ewald Nowotny
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