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Beantwortet
Autor Christian Gerstl am 03. Februar 2010
54571 Leser · 209 Stimmen (-17 / +192) · 1 Kommentar

Geldpolitik, Zinsen, Inflation

Woher kommt das Geld für die Zinsen?

Sehr geehrtes Direktorium,

woher kommt das Geld für den Zins, wenn doch die Zinsen, aufgrund des ausgegebenen Geldes, erst entstehen? Meinem Verständnis nach müssen die Zinsen wieder ausgeliehen werden, wodurch zwangsläufig ein exponentiell steigender Zinseszins, der auch nicht im System ist, entsteht.

Wie ist es möglich, dass etwas, bei sonstiger Enteignung, verlangt wird, was gar nicht vorhanden ist?

Anbei noch ein Film, welcher meine Frage veranschaulicht.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Gerstl

+175

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 11. Februar 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Gerstl!

Zinsen und Geld sind in der Tat sehr komplexe Themen, die auch in der Wissenschaft immer noch für Kontroversen sorgen.

Die Funktion von Zinsen entspricht einem Transfer von Geld bzw. Konsum über einen gewissen Zeitraum hinweg. D.h. Zinsen repräsentieren immer eine Zahlung in der Zukunft für einen Transfer von Geld in der Gegenwart oder in der Vergangenheit. Menschen, die ihr Einkommen heute nicht in Güter umwandeln und konsumieren wollen, sparen. Sie transferieren damit ihren Konsum in die Zukunft. Das äußert sich in unserem Wirtschaftssystem im Allgemeinen so, dass sie ihr Geld zu einer Bank bringen. Andere Menschen wiederum, die gerade Geld benötigen, borgen es sich bei der Bank aus, beispielsweise um zu konsumieren oder – im Falle von Unternehmen – um zu investieren.

Der Zins kommt nun durch zwei Dinge zustande: Einerseits werden damit Menschen, die nicht sofort konsumieren für ihren Verzicht entschädigt, andererseits wird ein Teil der Zinsen dafür verwendet, die Dienstleistung der Finanzintermediäre, also der finanziellen Mittler, zu bezahlen. Dieser Geldtransfer muss nicht zustande kommen, sondern geschieht ausschließlich dann, wenn es auf der einen Seite Menschen gibt, die auf eine bestimmte Menge Geld zu einem dafür angebotenen Preis (Sparzins) verzichten wollen und damit ihren Konsum in die Zukunft verschieben können; auf der anderen Seite aber auch Menschen oder Unternehmen, die bereit sind dafür zu bezahlen (Kreditzins), dass ihnen heute Geld zur Verfügung gestellt wird, das sie erst später verdienen werden. Häufig ist es etwa so, dass Menschen am Beginn ihres Lebens über ein eher geringes Einkommen verfügen, sie aber davon ausgehen können, dass es in Zukunft steigen wird. Um eine Familie zu gründen bzw. Eigentum an Immobilien zu erwerben, sind junge Menschen bereit Kredite aufzunehmen. Später, wenn sie mehr verdienen, können sie dieses Geld leichter aufbringen und zurückzahlen. Ähnliches gilt für Unternehmen: Sie nehmen dann einen Kredit auf, wenn sie erwarten mit dem durch einen Kredit zur Verfügung stehenden Geld eine Investition tätigen zu können, mit der sie in der Zukunft mehr erwirtschaften werden als sie an Zinsen zahlen müssen.

Zinsen müssen also letztlich immer in der Realwirtschaft (in Form von Einkommen) erwirtschaftet werden. Vereinfacht ausgedrückt können Zinsen bezahlt werden, weil Geld in Projekte investiert wird, die eine höhere Rendite erwirtschaften als Zinsen bezahlt werden müssen. Zinsen sind nur der Preis dafür, dass man mit geborgtem Geld arbeiten kann.

Damit in einer Wirtschaft genügend Geld vorhanden ist, um alle nötigen Transaktionen zu tätigen, muss bei einer wachsenden Wirtschaft daher auch die Geldmenge wachsen. Arbeit wird immer produktiver, Abläufe effizienter, kurzum es werden immer mehr Güter und Dienstleistungen produziert. Aus diesem Grund lässt die Zentralbank, die ja das Wachstum der Geldmenge steuert, ein Geldmengenwachstum zu, das unter anderem das durchschnittliche Wirtschaftswachstum sowie eine tolerierte niedrige Inflationsrate (Preisstabilität) berücksichtigt.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr
Ewald Nowotny

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