Sehr geehrter Herr Auer!
Die Ereignisse der letzten Monate haben viele Menschen verunsichert. Das Vertrauen in den Euro ist gesunken und viele Bürgerinnen und Bürger machen sich wie Sie Sorgen um ihre Ersparnisse. Ich möchte Ihre Frage zum Anlass nehmen an dieser Stelle erneut festzuhalten, dass die gegenwärtige Krise eine Schuldenkrise einzelner Länder des Euroraums und keine „Krise des Euro“ ist. Tiefgreifende Reformen sind insbesondere in den betroffenen Euro-Staaten notwendig und werden zum Teil bereits umgesetzt.
Lassen Sie mich noch kurz auf die von Ihnen angesprochene Geldentwertung eingehen. Im Verlauf des Jahres 2011 ist die Inflationsrate in Österreich merklich angestiegen. Wichtige Bedarfsgüter wie Lebensmittel und Energie verteuerten sich auf Grund von gestiegenen Öl- und Rohstoffpreisen erheblich. Betrachtet man aber die Inflationsentwicklung über einen längeren Zeitraum, so war der Preisanstieg in Österreich noch nie so gering wie seit der Einführung des Euro. Österreich verzeichnete seit 1999 mit jährlich durchschnittlich 1,8% die niedrigste Inflationsrate seit Jahrzehnten und damit auch einen niedrigeren Wert als zu Zeiten der Schilling-Währung.
Eine dauerhaft niedrige Inflation schützt Bürger und Bürgerinnen vor der Entwertung ihrer Ersparnisse. Das Eurosystem hat sich die mittelfristige Sicherung von Preisstabilität – d.h. eine Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2% – als vorrangiges Ziel gesetzt. Der EZB-Rat, in dem ich als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank vertreten bin, hat im April und im Juli 2011 auf die gestiegene Inflationsrate reagiert und den für den Euroraum maßgeblichen Leitzinssatz erhöht. Ich kann Ihnen versichern, dass der EZB-Rat gegebenenfalls weitere Maßnahmen setzen wird, um die Inflation mittelfristig wieder auf den angestrebten Zielwert zurückzuführen. Laut aktuellen Prognosen ist für die Jahre 2012 und 2013 mit einem Rückgang der Inflationsrate auf rund 2% zu rechnen zu rechnen.
Derzeit werden die große wirtschaftliche Bedeutung und die besondere Rolle des Euro als Motor der europäischen Integration von den Auswirkungen der Schuldenkrise überschattet. Entgegen jenen Stimmen, die von einer Euro-Krise sprechen, erfüllt der Euro aber nach wie vor alle seine Funktionen als Zahlungsmittel sowie als international anerkannte Reservewährung und dient der nachhaltigen Sicherung von Werten und Ersparnissen.
Mit freundlichen Grüßen
Ewald Nowotny
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