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Beantwortet
Autor richard waser am 01. Juli 2010
26650 Leser · 33 Stimmen (-2 / +31) · 0 Kommentare

Geldpolitik, Zinsen, Inflation

sparkonditionen in österreich

sehr geehrte damen und herren,

wann ist damit zu rechnen, dass österreichische banken hinsichtlich der aktuell steigenden inflationsrate (seit märz bereits 2%!) bei den verschiedenen konditionen ihrer spar-/anlageprodukte (speziell taggeld, bzw auch 6 - 24 monatige fixprodukte) endlich deutliche verbesserungen anbieten werden?

derzeit kann man nämlich dem wertverlust des eigenen kapitals zusehen, was weiteres sparen/ anlegen (zumindest im inland) leider gänzlich uninteressant macht.

ausserdem ist es überhaupt nicht einzusehen, zusätzlich zu den diversen aufgezwungenen bankenrettungspaketen, die kunden und steuerzahler bankinstitute durch billige spareinlagen weiter subventionieren zu lassen!

kann bzw. will die oenb hier impulse setzen?

(detail am rande: soll- und kreditzinssätze blieben bisher weitgehend unverändert hoch!)

ihrer geschätzten antwort mit interesse entgegensehend,

hochachtungsvoll

ing. richard waser

+29

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 26. August 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Waser!

Das oberste Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int) – und damit auch der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) – ist die Sicherung von mittelfristiger Preisstabilität, wobei Preisstabilität als eine Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent, gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), definiert wird. Die Steuerung der Inflationsrate erfolgt über die Leitzinssätze der EZB. Das sind jene Zinssätze, zu denen sich kommerzielle Banken bei der EZB refinanzieren können.

Die stabilitätsorientierte Geldpolitik der EZB war seit der Einführung des Euro äußerst erfolgreich. Die durchschnittliche Inflationsrate lag seit 1999 bei 1,9 Prozent – das Ziel der EZB wurde somit klar erfüllt. Und auch die aktuellen Inflationsraten bestätigen diesen Befund: Im Juli 2010 betrug die Inflationsrate in Österreich 1,7 Prozent. Aktuelle Inflationsraten finden Sie auf der OeNB-Webseite unter folgendem Link: www.oenb.at/isaweb/report.do?lang=DE&report=6.3

Durch den sogenannten „geldpolitischen Transmissionsmechanismus“ (das ist die Art und Weise, wie sich wirtschaftspolitische Entscheidungen auf eine Volkswirtschaft auswirken) führen Leitzinsänderungen auch zu Veränderungen der Marktzinssätze, also der Einlagen- und Kreditzinssätze der Kreditinstitute. Bei der Weitergabe der Leitzinsänderungen an die Kunden ist mit zeitlichen Verzögerungen von mehreren Quartalen zu rechnen. Im Übrigen werden Leitzinssatzänderungen in Österreich relativ rasch an die Kunden weitergegeben.

Aber auch andere Faktoren, wie etwa die allgemeine wirtschaftliche Lage und die Erwartungen für die Zukunft, die Refinanzierungsbedingungen auf den Märkten sowie das generelle Geschäftsmodell der Banken, haben Einfluss auf die Zinssätze. Die Höhe der Zinssätze ergibt sich daher letztlich durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf den entsprechenden Märkten und kann daher von der EZB nur mittelbar beeinflusst werden.

Selbstverständlich wurden seitens der EZB als Reaktion auf die Krise aber Schritte gesetzt, um die Zinssätze der Märkte zu senken und eine drohende Kreditklemme zu verhindern. Der Leitzinssatz der EZB wurde schrittweise auf einen historischen Tiefststand (von derzeit 1 Prozent) gesenkt. Darüber hinaus wurden sogenannte „unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen“ gesetzt. Darunter versteht man ein umfassendes Maßnahmenpaket, das unter anderem langfristige Kredite (Tender) für Kreditinstitute umfasst. Dadurch konnte das gegenseitige Vertrauen auf den Märkten wiederhergestellt und für eine allgemeine Verbesserung der Refinanzierungsmöglichkeiten gesorgt werden. Auch das Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (Covered-Bonds-Programme) der EZB, im Rahmen dessen Schuldverschreibungen am Sekundärmarkt gekauft wurden, ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen.

Bezüglich der Entwicklung der Einlagen- und Kreditzinssätze möchte ich betonen, dass aktuelle Daten klar zeigen, dass die Zinssätze für Unternehmens- und Wohnbaukredite im 2. Quartal 2010 trotz des unveränderten EZB-Leitzinssatzes und der steigenden Interbankenzinssätze deutlich gesunken sind. Damit setzte sich in diesem Bereich ein Trend fort, der schon 2009 einsetzte. Konsumkredite verbilligten sich im 2. Quartal ebenso und blieben damit weiterhin merklich unter den Durchschnittswerten des Euroraums. Auch bei den Einlagenzinssätzen kam es im 1. und 2. Quartal 2010 zu deutlichen Zinssenkungen, wobei die Vergleichswerte des Euroraums in allen Laufzeitkategorien unterschritten wurden. Überdies ist die Zinsspanne in Österreich mit 1,14 Prozentpunkten im Juni 2010 im Vergleich zum Euroraum (1,52 Prozentpunkte) weiterhin sehr niedrig. Dies ist auf den intensiven Wettbewerb innerhalb des österreichischen Bankensektors zurückzuführen, der den Kundinnen und Kunden in Form von günstigen Zinskonditionen zugute kommt.

Aktuelle Zinssätze der Kreditinstitute finden Sie auf der OeNB-Webseite unter folgenden Links: OeNB-Presseaussendung www.oenb.at/de/presse_pub/aussendungen/2010/2010q3/pa_aum... OeNB-Datenangebot www.oenb.at/de/stat_melders/datenangebot/zinssaetze/zinss...

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass die Zinssätze der österreichischen Kreditinstitute im europäischen Vergleich relativ niedrig sind. Diese für die Kunden vorteilhaften Konditionen führen aber auch dazu, dass die Margen der Banken relativ gering sind. Eine Lehre aus der Krise ist mit Sicherheit, dass Kreditinstitute in Zukunft höhere Eigenkapitalquoten halten müssen. Dadurch sinkt nicht nur die „Spekulationskasse“ der Banken, sondern die Institute werden auch krisenresistenter. Aus diesem Grund könnten sich Kredite in den kommenden Jahren auch in Österreich verteuern und so dem europäischen Durchschnitt annähern. Gleichzeitig wird dadurch auch ein Beitrag zur Stärkung des österreichischen Finanzmarkts und zur Finanzmarktstabilität geleistet.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny