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Beantwortet
Autor Frank Jeremie am 01. Juli 2010
25261 Leser · 33 Stimmen (-4 / +29) · 0 Kommentare

Finanzmarktstabilität & Bankenaufsicht

Inflation infolge ungehemmten Wirtschaftswachstums?

Sehr geehrter Herr Nowotny,

gestern Abend sagten Sie im Bürgerforum des ORF, dass sich die Menschen um die falschen Dinge Sorgen machten. Dass nicht die Inflation, sondern vielmehr die Frage des Wirtschaftswachstums das eigentliche Problem sei, um das sich die Menschen Gedanken machen sollten.
Nun meine Frage: Hängen denn Wachstum und Inflation nicht gewissermaßen zusammen? Ist nicht die Inflation Folge eines ungehemmten Wachstums?

Die Aufgabe der Finanzmarktaufsicht müsste daher meiner Meinung nach lauten, die Wirtschaft auf einem konstanten Niveau zu halten und nicht erneut auf das Zugpferd Wachstum zu setzen. Wohinein uns dies geritten hat, ist doch anhand des jetzigen Zustands der Wirtschaft ersichtlich, oder nicht? Hier müsste ein Umdenken einsetzen. Sonst sind wir in wenigen Jahren gleich in der nächsten Krise.

Über eine Stellungnahme von Ihnen würde ich mich sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen
Frank Jeremie

+25

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 10. September 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Jeremie!

Der Zusammenhang von Wachstum und Inflation ist Gegenstand einer akademischen Diskussion und wird von vielen Einflussfaktoren bestimmt, jedenfalls aber nicht von der konjunkturellen Situation alleine, sondern zum Beispiel auf von „unbeeinflussbaren Faktoren“ wie dem Erdölpreis oder von der Entwicklung der Nahrungsmittelpreise. Sie haben aber mit Ihrer Einschätzung recht, dass extrem hohe Wachstumsraten auch zu hohen Inflationsraten führen können. Hohes Wachstum impliziert hohe Gewinne und hohe Beschäftigungsraten, die Kapazitäten der Wirtschaft sind ausgelastet und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage ist hoch. Hohes Wachstum führt daher auch zu steigenden Löhnen, sodass eine Lohn-Preis-Spirale entstehen kann – man spricht in diesem Zusammenhang auch von Nachfragesoginflation („demand-pull inflation“). In einem solchen Fall ist die Konjunktur überhitzt und die steigenden Preise werden zu einer Dämpfung der Konjunktur führen.

Jedenfalls sollte klar sein, dass wir uns in der gegenwärtigen Situation keineswegs in einer derartigen Hochkonjunkturphase befinden. Wir sind am Anfang vom Ende der größten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren, einer Krise, die durch eine spekulative Blase im Finanzbereich entstanden ist. Durch den wirtschaftlichen Abschwung sinken die Steuereinnahmen des Staates, die Arbeitslosigkeit steigt und zahlreiche Unternehmen gehen bankrott. Dies wirkt sich letztlich auch negativ auf die Sozialsysteme aus, da notwendige Beitragszahlungen fehlen und die Finanzierung immer schwieriger wird. Nur entsprechendes, auf realwirtschaftlichen Faktoren fußendes Wachstum kann in dieser Situation helfen. Da Wirtschaftswachstum auch durch technologischen Fortschritt und Investitionen in Zukunftsbereiche entsteht, wird – so lange es also Innovation gibt – auch das System weiter wachsen.

Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf die in Ihrer Frage angesprochenen Aufgaben der Finanzmarktaufsicht eingehen. Die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) ist als integraler Bestandteil des Eurosystems einerseits für die Sicherung von Preisstabilität zuständig, wobei Preisstabilität als eine Inflationsrate von unter, aber nahe bei 2 Prozent definiert wird. Als Teil der österreichischen Bankenaufsicht, ist sie andererseits in Kooperation mit der Finanzmarktaufsicht (FMA, www.fma.gv.at) jedoch auch für die Sicherung der Finanzmarktstabilität in Österreich zuständig. Diese beiden Bereiche dürfen nicht vermischt werden. Im Rahmen der Geldpolitik sorgen die Europäische Zentralbank (EZB, www.ecb.int) und somit auch die OeNB für stabile Preise. Die EZB verfügt über die notwendigen Instrumente, um etwaige Gefahren für die Preisstabilität rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen. Im wichtigen Bereich der Finanzmarktstabilität hingegen geht es um die Regulierung und Beaufsichtigung des Finanz- und Bankensektors. Diese Aufgabe ist deswegen so bedeutend, weil Blasenbildungen im Finanzbereich auch weitreichende Folgen für die Realwirtschaft haben können, was die Krise der letzten Jahre bewiesen hat. Wie ich an anderer Stelle auf dieser Plattform

http://www.direktzu.at/oenb/messages/25611?filter%5B%5D=a...

schon betont habe, können beispielsweise höhere Eigenkapitalvorschriften für Kreditinstitute dazu beitragen, in Zukunft die Gefahr von Blasenbildungen im Finanzbereich zu minimieren. Da die Aufsicht ein höheres Maß an Stabilität sicherstellt, leistet sie gleichzeitig auch einen wichtigen Beitrag zu einer positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny