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Beantwortet
Autor Frank Wendler am 16. November 2010
22223 Leser · 14 Stimmen (-0 / +14) · 0 Kommentare

Finanzmarktstabilität & Bankenaufsicht

Kann man dem EU-Bankenstresstest vom Juli 2010 noch trauen?

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Juli 2010 fand der EU-Bankenstresstest statt. Die Ergebnisse findet man auch kurz unter :

http://diepresse.com/home/583323/Stresstest_7-von-91-euro...

Hier war mit Irlands Banken soweit alles o.k. (siehe Bericht und Grafik). Nur 4 Monate später stehen Irlands Banken am Abgrund. Wie kann das überhaupt sein?

Heute ist in der Zeitschrift "Die Presse" zu lesen:

Ähnlich äußerte sich OeNB-Chef Ewald Nowotny: „Irland ist ja etwas anders gelagert als zum Beispiel Griechenland. In Irland ist das Problem nicht der Staat als solcher, sondern der Bankensektor.

Konnte sich die Lage von Irlands Banken in nur 4 Monaten so dramatisch verändern, dass die Aufsicht beim EU-Bankenstresstest vom Juli 2010 davon noch gar nix geahnt hat?

Das ist ja in der Tat dann wirklich beunruhigend.

Mit freundlichen Grüßen
F.Wendler

+14

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Antwort
von Mag. Andreas Ittner am 02. Dezember 2010
Mag. Andreas Ittner

Sehr geehrter Herr Wendler!

Im Juli dieses Jahres hat der Ausschuss der Europäischen Bankenaufsichtsbehörden (CEBS, www.c-ebs.org) in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int) und der Europäischen Kommission (http://ec.europa.eu) sowie den nationalen Bankenaufsehern und Zentralbanken im Auftrag des Rates der Wirtschafts- und Finanzminister der EU (ECOFIN, www.consilium.europa.eu) einen Stresstest für den EU-Bankensektor durchgeführt. Das Ziel dieser Übung war die Einschätzung der Widerstandsfähigkeit der 91 teilnehmenden EU-Banken gegenüber angenommenen – drastischen, aber dennoch plausiblen – negativen wirtschaftlichen Entwicklungen.

Die jetzigen Probleme Irlands und des dortigen Bankensektors werfen rein oberflächlich betrachtet tatsächlich ein schlechtes Licht auf die Stresstest-Ergebnisse. Man sollte den CEBS-Stresstest daher differenzierter betrachten: Vor allem muss man das Design des Stresstests in Betracht ziehen. Das relativ gute Abschneiden des irischen Bankensektors bei den CEBS-Stresstest kann nämlich dadurch erklärt werden, dass einerseits verhältnismäßig große Banken wie die Anglo-Irish-Bank im Stresstest nicht berücksichtigt wurden, da sie keine Cross-Border-Banken sind. Andererseits wurde die zu testende Marktgröße (d.h. über 50% des Marktanteils gemessen an der Bilanzsumme) bereits durch die übrigen im Test inkludierten Banken erzielt. Darüber hinaus ging der CEBS-Stresstest von einer „Asset Guarantee“ des irischen Staates aus. Die Annahme, dass dieser einer „Lender-of-Last-Resort“-Funktion nicht nachkommen könne – der Staat selbst also aufgrund seiner budgetären Situation nicht mehr fähig ist, unterstützend einzugreifen – wurde nicht angenommen.

Der Stresstest ist zweifellos ein wichtiges und bewährtes Instrument, das Auskunft über die Stabilität des Finanzsystems gibt. Es wäre aber irrational zu glauben, dass ein Stresstest alle möglichen Risiken, die für einen Bankensektor bestehen, vollständig abdecken kann. Wie ich auch auf dieser Plattform bereits betont habe, sollte die Bedeutung von Stresstest-Ergebnissen weder über- noch unterschätzt werden (http://www.direktzu.at/oenb/messages/26476#keywords%3Dstr...). Der Stresstest ist und bleibt eines von vielen Instrumenten der Aufsicht.

Die größte Gefahr, die von den Problemen Irlands ausging, war die Ansteckungsgefahr für andere Staaten des Euro-Währungsgebiets. Um dieser möglichen Ansteckung vorzubeugen, war es notwendig, dem irischen Staat eine entsprechende Unterstützung zu gewähren. Zu diesem Zweck wurde auf EU-Ebene in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF, www.imf.org) bereits ein Rettungsschirm aufgespannt, den sich Irland nun zur Beseitigung ihrer Probleme zunutze machen kann. Gleichzeitig ist es notwendig, dass die irische Regierung ihre budgetären Probleme auf nationaler Ebene löst. Dazu hat die irische Regierung auch schon entsprechende Sparmaßnahmen angekündigt. Es gilt nun diese konsequent umzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Ittner