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Beantwortet
Autor Sven Kraysingor am 28. Oktober 2010
22159 Leser · 20 Stimmen (-0 / +20) · 0 Kommentare

Der Euro – eine Erfolgsgeschichte

Austritt nicht wettbewerbsfähiger Länder aus der Eurozone

Sehr geehrter Herr Nowotny,
in einem Interview mit „Die Presse“ teilte der Finanzexperte Freddy Van den Spiegel mit, dass der Euro durch mangelnde Disziplin mancher Mitgliedsstaaten gefährdet sei. Das Problem sei, dass es keine Prozedur für einen Austritt nicht wettbewerbsfähiger Länder aus der Eurozone gebe (http://diepresse.com/home/wirtschaft/international/603781... ).
Ihre Antwort, wie Sie die Länder zu mehr Disziplin anhalten wollen, habe ich gelesen (http://www.direktzu.at/oenb/messages/26603?filter%5B%5D=a... ). Halten Sie es darüber hinaus jedoch für möglich, dass Länder der Austritt aus der Eurozone nahegelegt bzw. dieser verwiesen werden, um die Stabilität des Euros nicht zu gefährden? Wie könnte eine solche Ausschlussprozedur in Zukunft aussehen?
Sven Kraysingor

+20

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 07. Dezember 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrter Herr Kraysingor!

Vorab sei erwähnt, dass Freddy Van den Spiegel seine Studie im Rahmen eines bei einer Veranstaltung in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) gehaltenen Vortrags vorgestellt hat und dass darüber überaus kontrovers diskutiert wurde. In dem von Ihnen angeführten Interview spricht Van den Spiegel die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Länder als das gegenwärtige Problem an. Ich stimme mit Van den Spiegel insofern überein, als ich ebenso der Meinung bin, dass es nun an den betroffenen Ländern liegt, ihre ökonomische Situation durch Strukturreformen wieder „in den Griff“ zu bekommen.

Zweifellos ist die gegenwärtige Situation eine ernste und als Folgeerscheinung der Krise zu sehen. Jener Krise, die die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren darstellte und drohte in eine ähnlich massive Depression zu führen. Entstanden ist auch die jetzige Krise durch Spekulationsblasen im Finanzbereich, üblicherweise kommt es in der Folge zu einem Übergreifen auf die Realwirtschaft und schließlich auf die öffentlichen Haushalte. Durch rasches Agieren der Notenbanken und Regierungen konnten – im Gegensatz zur größten Krise des 20. Jahrhunderts – diese Folgen abgemildert und entschärft werden. Und es sei gesagt, dass die Alternative zur gegenwärtigen Situation ungleich dramatischer gewesen wäre.

Vielerorts wird nun der Zusammenbruch der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) herbeigeredet. Davon kann aber nicht die Rede sein. Die fiskalischen Schwierigkeiten einzelner Euro-Mitgliedsländer mögen eventuell gewisse Auswirkungen auf den Wechselkurs des Euro haben und obwohl die Europäische Zentralbank (EZB, www.ecb.int) kein Wechselkursziel verfolgt, so möchte ich dennoch betonen, dass sehr volatile Wechselkursentwicklungen ökonomisch wenig wünschenswert sind.

Einen Austritt oder gar Ausschluss eines Euroraummitglieds erachte ich jedenfalls weder als ökonomisch sinnvoll noch als wünschenswert. Denn für die „schwächeren“ Mitgliedstaaten würde dies bedeuten, dass ihre dann wieder eingeführten nationalen Währungen einem tendenziellen Abwertungsdruck unterlägen und sie mit einer noch teureren Euroverschuldung konfrontiert wären. Die „stärkeren“ Staaten hingegen sähen sich hohen Transaktionskosten sowie einer Währungsaufwertung gegenüber, was sich wiederum negativ auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit auf ihre Exporte auswirken würde. Außerdem würde ein gewaltiger Kapitalzufluss aus dem Ausland drohen, der eine Reihe von Gefährdungen mit sich bringen könnte, wie etwa überschießender Vermögenspreise und eine Zunahme unproduktiver Investitionen.

Sinnvoll wäre es vielmehr, schwächeren Staaten Strukturmaßnahmen nahezulegen und deren Umsetzung einzufordern. Gleichzeitig wurde mit dem sogenannten Euro-Rettungsschirm (Europäische Finanzstabilitätsfazilität, EFSF) ein Mechanismus geschaffen, der es ermöglicht, Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Ernstfall zu unterstützen. Dieses Programm wurde von der EU-Kommission (http://ec.europa.eu) in Kooperation mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF, www.imf.org) erarbeitet. Im Notfall stehen bis zu 750 Milliarden Euro bereit, um Staaten des Euroraums im Krisenfall zu stabilisieren. Die EU hat inzwischen auch eine Einigung für einen langfristigen Stabilisierungsmechanismus über 2013 (das Jahr in dem die EFSF ausläuft) hinaus erzielt. Hierbei ist geplant, dass auch Privatgläubiger entsprechend eingebunden werden. Dies wird dazu beitragen, dass sich die internationalen Finanzmärkte beruhigen und auch den Druck auf andere Staaten reduzieren. Die Inanspruchnahme dieser Gelder ist aber selbstverständlich stets an entsprechende Anstrengungen der nationalen Regierungen zum Schuldenabbau gekoppelt. Irland ist nun das erste Land, das Gelder aus diesem Fonds erhalten wird und die irische Regierung hat bereits die notwendigen Sparmaßnahmen und strukturellen Reformen angekündigt. Diese müssen nun auf nationaler Ebene konsequent umgesetzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny