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Beantwortet
Autor Heike Marx am 07. Dezember 2011
30895 Leser · 44 Stimmen (-0 / +44) · 3 Kommentare

OeNB im Eurosystem & Europäische Zentralbank

Der Kampf der Banken gegen die Bevölkerung

Geehrtes Direktorium,

haben Sie folgenden Beitrag gelesen?

http://tinyurl.com/cjv7f8k

Professor Hudson beschreibt dort eindrücklich die Fehler europäischer Finanzpolitik.

Er spricht mir aus dem Herzen.

Früher führten Nationalstaaten Krieg gegeneinander. Auch oder gerade aus finanziellen Gründen. Nun ist der Finanzsektor zu einer neuen Form der Kriegsführung angetreten - scheinbar weniger blutig, aber mit den gleichen Zielen: Die Aneignung von Land und Bodenschätzen, Infrastruktur und andere profitablen Einnahmequellen.

Die Banken wollen, dass der wirtschaftliche Mehrwert in Form von Zinsen ausgezahlt und nicht für die Anhebung des Lebensstandards verwendet wird, nicht für Staatsausgaben oder auch nur für Investitionen. Forschung und Entwicklung - das dauert viel zu lange. Die Finanzwelt denkt in kurzen Zeiträumen. Diese Sichtweise ist kontraproduktiv, wird aber als der Weisheit letzter Schluss ausgegeben.

Die Alternative (staatliche Eingriffe in den „freien Markt“ durch Regulierung und progressive Steuern) führe nur in die Knechtschaft. - so die Banken.

Es gibt erhebliche Gewinnchancen für die Banken, die Einfluss auf die Wirtschaftspolitik der EZB erlangt haben. Seit den sechziger Jahren sind Haushaltskrisen eine gute Gelegenheit für Banken und Investoren, Kontrolle über die Fiskalpolitik zu erlangen - die Steuerlast wird auf die Arbeitnehmer abgewälzt, und die Sozialausgaben werden gekürzt, alles zum Vorteil ausländischer Investoren und der Finanzwirtschaft.

Der Lebensstandart verringert sich, Sozialausgaben werden eingeschränkt - alles kann man gerade im Europa sehen!

Eine Schuldenkrise (unterstützt durch Ratingagenturen die nur dem Namen nach unabhängig sind) ermöglicht es der lokalen Finanzelite und ausländischen Banken, den Rest der Gesellschaft zu verschulden, indem sie ihr Kreditprivileg nutzen, um sich Vermögen anzueignen und die Bevölkerung in Schuldenabhängigkeit zu bringen.

Dieser Krieg, der in Europa inzwischen ausgetragen wird, hat nicht nur wirtschaftliche Auswirkungen. Wie man in Griechenland, Spanien oder England sehen kann, sind die sozialen Verwerfungen nicht mehr zu übersehen.

Regierungen brauchen Geld nicht von Geschäftsbanken oder anderen Kreditgebern zu leihen. Seit der Gründung der Bank von England im Jahr 1694 wurden Notenbanken gegründet, denen es obliegt, Geld zur Finanzierung von Staatsausgaben zu drucken.

Banken vergeben Kredite gegen Zinsen. Heutzutage bekommen Banken billiges Geld von der Zentralbank (bei 0,25 Prozent Zinsen in den Vereinigten Staaten), das sie gegen höhere Zinsen weitergeben. Banken sehen es also gern, wenn ihnen von der Zentralbank Geld zur Verfügung gestellt wird. Wenn es aber darum geht, dass Regierungen zur Finanzierung ihres Haushaltsdefizits Geld schaffen, dann möchten Banken diesen Markt und die Gewinne am liebsten für sich allein haben.

Wie können wir bzw. Sie dafür Sorgen aus dieser Abhängigkeit zu kommen. Wann wird die EZB eine Europäische Notenbank?

+44

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Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 23. Februar 2012
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrte Frau Marx!

Michael Hudson, Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Missouri, spricht in dem von Ihnen zitierten Artikel bereits an, weshalb es der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int) nicht möglich ist Geld zu drucken und die staatlichen Schulden auf diese Weise zu inflationieren: Die monetäre Staatsfinanzierung ist durch die maßgeblichen europäischen Verträge aus guten Gründen verboten. Zudem läge es gar nicht in der Macht der EZB, das ihr von der Politik auferlegte Mandat neu zu definieren.

Ich habe zum Verbot der monetären Staatsfinanzierung und zu den wohlüberlegten Gründen für dieses Verbot schon mehrfach auf dieser Online-Dialogplattform Stellung genommen (http://www.direktzu.at/oenb/messages/wie-kann-sich-ein-st...; http://www.direktzu.at/oenb/messages/staatsausgaben-mit-a...).

Lassen Sie mich jedoch einige der von Hudson aufgeworfenen Punkte kommentieren: Professor Hudson weist zu Recht darauf hin, dass für die Hyperinflation in der Weimarer Republik vor allem die von Deutschland zu leistenden Reparationszahlungen und die kriegsbedingt geringe Produktionskapazität eine Rolle gespielt haben. Doch sind dies keineswegs die einzigen Erfahrungen, die mit unkontrollierbaren Inflationsraten gemacht wurden (völlig anders gelagerte Beispiele finden sich etwa in Lateinamerika). Darüber hinaus gebe ich zu Bedenken, dass es in der derzeitigen Diskussion nicht alleine um die Lösung der akuten Schuldenkrise geht. Ein Abbau der Schulden durch Inflation alleine würde das grundsätzliche Problem nicht lösen, da anschließend Staaten wieder eine nicht tragfähige Schuldenpolitik betreiben könnten, wodurch dann eine erneute Inflationierung notwendig werden würde. Deshalb ist Inflationierung keine wirklich nachhaltige Alternative. Zum Weg aus der Abhängigkeit von Finanzmärkten und den Einschätzungen von Rating-Agenturen gehört jedenfalls die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und eine Reduktion der Staatsschulden sowie eine effiziente Finanzmarktregulierung und Economic Governance auf europäischer Ebene.

Das ist eine der zentralen Lehren der jüngsten Krise. Auch muss angemerkt werden, dass die EZB nicht dem Irrtum erlegen ist, dass private Kreditvergabe keine preistreibende Wirkung entfalten kann, wie Hudson in seinem Artikel behauptet. Im Gegenteil, die Leitzinssätze, die letztlich auch einen wesentlichen Einfluss auf die Marktzinssätze haben, sind das zentrale Instrument, das zur Steuerung der Inflationsrate verwendet wird.

Ich möchte an dieser Stelle auch die Darstellung von Hudson, dass die Politik der EZB von mächtigen Bankenlobbys determiniert sei, zurückweisen: Die EZB ist in ihren Entscheidungen unabhängig und einzig ihrem Mandat verpflichtet. Selbstverständlich werden dabei eine Vielzahl von wirtschaftlichen Faktoren berücksichtigt, zu der auch die Entwicklung der Kreditvergabe und die Stabilität der Finanzmärkte gehören – daraus darf jedoch keine Abhängigkeit von der Finanzindustrie abgeleitet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ewald Nowotny

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