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Beantwortet
Autor Pavol JURCA am 13. Juli 2011
23889 Leser · 42 Stimmen (-0 / +42) · 0 Kommentare

Finanzmarktstabilität & Bankenaufsicht

Kritischer Stresstest

Hallo Oesterreichische Nationalbank,

ich habe eine Frage zum Thema Stresstest. Fuer mich ist dieses Thema ein großes Kabaret oder Theater, weil die EU nur leichte Tests macht. Warum macht die OeNB nicht auch das kritischste Stresstest-Szenario ?

Zum Beispiel: eine sehr große Bank in EU macht Bankrott, was wird dann mit dem Finanzsector oder abhängigen Banken? Österreichische Banken haben große Exposition zu den problematischen Lädern.

Der Markt zeigt jetzt gerade, dass alles moeglich ist. Warum sagen Sie niemandem die Wahrheit , wo wir jetzt gerade sind?

Danke fuer ihre Antwort.

Pavol

+42

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Antwort
von Mag. Andreas Ittner am 22. September 2011
Mag. Andreas Ittner

Sehr geehrter Herr Jurca!

Stresstests sind ein bewährtes Instrument, das sowohl von Banken als auch von Zentralbanken und Aufsichtsbehörden zur Einschätzung extremer, aber dennoch plausibler Risiken eingesetzt wird.

Die EU-weiten Stresstests vom Juli 2011 wurden von der Europäischen Bankaufsichtsbehörde (European Banking Authority, EBA, www.eba.europa.eu), in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank (EZB, www.ecb.int), dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB, www.esrb.europa.eu) sowie den nationalen Aufsichtsbehörden bzw. Zentralbanken durchgeführt.

Beim diesjährigen EU-weiten Stresstest wurde getestet, wie sich die Eigenkapitalbasis der Banken im Fall eines schweren wirtschaftlichen Schocks bis Ende 2012 verändern würde. Dabei hat die neue Europäische Bankaufsichtsbehörde die Annahmen gegenüber dem Vorjahr spürbar verschärft. Der Gesamteffekt des Stressszenarios beläuft sich für den Euroraum auf einen BIP-Verlust von vier Prozentpunkten über zwei Jahre (2011–2012) gegenüber der Prognose der Europäischen Kommission. Für Österreich wurde sogar ein Abschlag von fünf Prozentpunkten angenommen. Der Wachstumsverlust wäre damit deutlich stärker als im EU-weiten Stresstest 2010, in dem eine Reduktion von knapp drei (EU) bzw. vier (Österreich) unterstellt wurde.

Zusätzlich zum internationalen Stresstest der EBA hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in ihrem Finanzmarktstabilitätsbericht von Juni 2011 das österreichische Bankensystem einem noch härteren Test unterzogen. Dabei wurde ein noch stärkerer Rückgang der Wirtschaftsleistung in Zentral-, Ost- und Südosteuropa, sowie der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten – dem neben Österreich wohl wichtigsten Markt für die heimischen Großbanken – unterstellt. Dieser Test hat gezeigt, dass das österreichische Bankensystem generell krisenresistent ist. Die seit Eintritt der Krise identifizierte breitere Streuung der Ergebnisse spiegelt sich jedoch auch in den Frühjahrs-Stresstests 2011 wider. So zeigen die Berechnungen trotz der verbesserten Ergebnisse im Aggregat nach wie vor Schwachstellen im österreichischen Bankensystem auf. Die Aufsicht (d.h. OeNB und FMA) ist sich dessen sehr wohl bewusst, und hat das auch in der Vergangenheit öffentlich kommuniziert. (www.oenb.at/de/img/fmsb_21_bericht04_tcm14-234266.pdf)

Stresstests sind also zweifellos ein wichtiges und bewährtes Instrument, das Auskunft über die Stabilität des Finanzsystems gibt. Es wäre aber zu kurz gegriffen, anzunehmen, dass ein Stresstest sämtliche möglichen Risiken, die für einen Bankensektor bestehen, vollständig berücksichtigen kann. In diesem Sinne, soll die Bedeutung von Stresstestergebnissen weder über- noch unterschätzt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Andreas Ittner