Diese Plattform ist ab 12. November 2012 inaktiv. Die Abstimmung für Beiträge ist geschlossen. Bereits veröffentlichte bzw. beantwortete Beiträge stehen jedoch auch weiterhin zur Information zur Verfügung.

Beantwortet
Autor Theresa Karner am 02. Juli 2010
23488 Leser · 24 Stimmen (-0 / +24) · 0 Kommentare

OeNB im Eurosystem & Europäische Zentralbank

Milliarden für EU-Staaten - Wo bleibt die Haushaltsdisziplin?

Sehr geehrtes Direktorium der OeNB,

wie ich den Nachrichten entnommen habe will die EU-Kommission mehr Macht in der Finanzpolitik durchsetzten und größeren Einfluss auf die Haushalte der einzelnen Staaten ausüben.

Glauben Sie, dass Sanktionen gegen Staaten deren Haushaltsdisziplin wirklich nachhaltiger machen kann?
Meiner Ansicht nach liegt das Problem eher an den strukturell, kulturell und ökonomich sehr unterschiedlichen Gegebenheiten in den EU-Ländern, insbesondere hinsichtlich Gesetzgebung und Wirtschaft, die sich durch Androhung von Strafen nicht verbessern werden...

Macht der Stabilitätspakt des Euro überhaupt noch Sinn, wenn man dann Millionen und Milliarden zusätzlich aufwendet, um den Defizitsündern aus der Patsche zu helfen?

Also mal ehrlich, irgendwann hört sich die Solidarität auf und auf diese Weise begeben sich auch andere Staaten auf bestem Weg in ihre eigene Finanzmisere, wenn auf EU-Kosten andere Staatshaushalte saniert werden wie jüngst in Griechenland.

Österreich als kleines Land hat da wohl weniger Macht als unser großer Bruder Deutschland. Welchen Einfluss kann die OeNB bei der von der EU-Kommission geplanten Verschärfung der Finanzpolitik ausüben und was werden Sie vorschlagen um die EU zu einer starken Währungsunion zu machen? ...auch in Hinblick auf die USA und den Dollar?

Ich bin schon neugierig wie Sie diese Punkte sehen.

Mit freundlichen Grüßen,

Theresa Karner

+24

Über diesen Beitrag kann nicht mehr abgestimmt werden, da er bereits beantwortet wurde.

Antwort
von Univ.-Prof. Dr. Ewald Nowotny am 12. August 2010
Univ.-Prof. Dr. Ewald  Nowotny

Sehr geehrte Frau Karner!

Ich teile Ihre Meinung, dass es innerhalb des Euroraums strukturelle Unterschiede gibt, die Gefahren in sich bergen. Diese gilt es in Zukunft zu verringern, wobei hier in erster Linie jene Mitgliedsländer gefordert sind, die bis heute auf überholte wirtschaftspolitische Verhaltensweisen aus der Zeit vor der Währungsunion (WWU, www.oenb.at/de/glossar/glossar_alles.jsp?&letter=w#tc...) zurückgreifen. Denn in der WWU besteht für einzelne Mitgliedstaaten nicht mehr die Möglichkeit, ihre Währung stellvertretend für Strukturreformen abzuwerten. Ohne Abwertungen schlägt sich mangelnde Reformwilligkeit direkt auf ihre Wettbewerbsfähigkeit nieder. Insofern hat der Euro in diesen Ländern auch die Funktion einer „Strukturpeitsche“ übernommen. Am Beispiel von Griechenland wird deutlich, wie schmerzhaft deren Auswirkung sein kann, wenn ein Land versucht, die erforderlichen Reformen zu vermeiden. Das heißt auch, dass wir mit einer Krise der öffentlichen Haushalte in einzelnen Mitgliedsländer konfrontiert sind und nicht mit der vielbeschworenen Krise des Euro.

Eine Währungsunion und hier im Speziellen der Euroraum kann insofern auch als ein Klub mit klaren Spielregeln verstanden werden. Über diese gab es eine politische Übereinkunft, die in Form der Stabilitätskriterien des Maastricht-Vertrages festgehalten wurde. Auch wenn selbstverständlich eine akademische Diskussion über deren Ausgestaltung ihre Berechtigung hat, so sind sie dennoch einzuhalten. Die Turbulenzen im Zuge der Griechenlandkrise haben zudem bestätigt, dass an gesunden Staatsfinanzen kein Weg vorbei führt. Auch ich habe in meiner Funktion als Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Mitglied des EZB-Rats (www.ecb.int) diese stets gefordert und werde dies auch in Zukunft tun.

Ich bin immer für eine gute „Kleiderordnung“ eingetreten und halte mich in diesem Sinne auch hier an die Grenzen meines Zuständigkeitsbereichs. Als Gouverneur der OeNB habe ich Sitz und Stimme im EZB-Rat und entscheide daher gemeinsam mit dessen anderen Mitgliedern über die Geldpolitik des Eurosystems. Bei der von Ihnen im Zusammenhang mit der EU-Kommission (ec.europa.eu) angesprochenen Forderung nach Richtlinien hinsichtlich einer strengeren Haushaltsdisziplin handelt es sich formal um eine Frage, die im Zuständigkeitsbereich des ECOFIN-Rats (Finanzminister) liegt. Die oben erwähnten Positionen der OeNB bzw. des Eurosystems werden selbstverständlich in den entsprechenden Gremien gegenüber dem ECOFIN-Rat (www.consilium.europa.eu/showPage.aspx?id=250&lang=de) formuliert und vertreten.

Mit freundlichen Grüßen Ewald Nowotny